Die juridische Würde des Sterbenden “Living wills”
„Die Ablehnung der Sterbehilfe bedeutet trotzdem nicht, daß der Arzt alle möglichen Lebenserhaltungstechniken und -methoden verbissen anwenden muß, die ihm eine unermüdlich schöpferische Wissenschaft zur Verfügung stellt. Denn in der Endphase einer unheilbaren Krankheit wäre dann eine maschinell lebenserhaltende Beatmung doch eher mit einer Folter zu vergleichen. Die Pflicht des Arztes liegt vielmehr darin, sich um eine Linderung der Schmerzen zu bemühen, anstatt mit allen Mitteln und so lange wie nur erdenklich möglich ein Leben zu verlängern, welches nicht mehr vollständig als menschlich zu bezeichnen ist und das seinen natürlichen Lauf zum Ende genommen hat.“ So schrieb Papst Paul VI am 30.10.1970 an Kardinal Villot. Tod und Leben, Befähigung und Unfähigkeit, Ethik des Lebensendes, Selbstbestimmung und Rückkehr zur Privatautonomie, Würde des Menschen als Person, als Einzelner, der seine Fähigkeiten bewußt einsetzt und fähig ist, rechtzeitig für eine mögliche Unfähigkeit vorzusorgen und zu bestimmen. Ein Individuum, welches integriert in das Leben und Teilnehmer daran ist, und zugleich durch sein Leben und seinen Tod sein soziales Dasein bezeugt und auch – im christlichen Sinn – sein verantwortungsvolles Dasein für seinen Nächsten. Leben als subjektives Gut, oder als objektives Gut, als sozialer Wert: jedem seine Entscheidungen bezüglich Gewissen, Leben oder Tod. Der wissenschaftliche Zugang zu diesen Problemen soll, wenn es auch schwer fallen kann, zweifellos und unvermeidlich laizistisch sein. Die Unantastbarkeit des Lebens, der sakrale Wert der Schmerzen und die Würde des menschlichen Körpers auch in seinen letzten Momenten: die juridische Aufmerksamkeit für diese Lebensabschnitte, die für den einzelnen unvermeidbar sind, hat ein Entstehungsdatum. Nürnberger Prozeß – (Dez. 1946 – Aug. 1947)
Zum ersten Mal in der Geschichte wurde ein solcher Prozeß eingeleitet und abgeschlossen, und 23 nationalsozialistische Ärzte, verantwortlich für entsetzliche Experimente (z.B. über Widerstand gegen Temperatur und Druck, Folgen von Infektionen, Röntgen und Gas, chirurgische Eingriffe bei Knochen, Nerven u.s.w…) wurden verurteilt. Zum ersten Mal entstand ein Kodex, eine gesetzliche Bestimmung über die Notwendigkeit eines Einverständnisses des Patienten zu seiner Behandlung. Zum ersten Mal wird überhaupt von der Zustimmung des Patienten gesprochen. Heute mag es vielleicht selbstverständlich klingen, bis zu diesem Moment war es nicht sicher. Bis vor wenigen Jahrzehnten war die Beziehung Arzt-Patient von Paternalismus geprägt. Der Patient war – zum Teil in seinem Interesse, zum Teil aufgrund seiner unzureichenden Bildung – nicht im Bilde, der Arzt war als Wissender und Wissenschafter die oberste, unwidersprochene Entscheidungsinstanz. Heute steht dem Patienten sein Recht zu – wenn auch noch nicht gesetzlich endgültig geregelt – bewußt und wissend eine Zustimmung abzugeben oder zu verweigern. Ob er gebildet ist oder nicht, er soll die Entscheidungsinstanz sein, und das Recht genießen, in eine Therapie einzuwilligen, deren Sinn, Zweck und vor allem Folgen er erfahren hat. Gleiches betrifft jede Form von Therapie, also auch die lebenserhaltenden Maßnahmen. Das ist der springende Punkt.
Welche Rechte hat ein Kranker im Endstadium oder ein Geschäfts- und Entscheidungsunfähiger tatsächlich? Sein Lebensende genießt das Recht und die Würde eines Menschen, oder hat er wegen seines Zustandes jedes Selbstbestimmungsrecht verloren? “Manche (z.B. M.G.Gianmarino) sehen in der Aufwertung der individuellen Selbstbestimmung einen bedeutenden Schritt in Richtung Deregulierung der höchstpersönlichen Rechtsmaterie, d.h. zur Schaffung eines einfacheren Rechts“ (Salito). Gerade heute, wenn die Grenzen, der Zwiespalt zwischen Fähigkeit und Unfähigkeit, mehr und mehr überwunden werden, und Rechtsprozeduren zur Abstempelung“ eines Menschen als handlungsunfähig oder gar geisteskrank mehr und mehr als unerträglich empfunden werden, gerade heute sollen wir uns die Frage stellen, ob es doch einen Schimmer an Fähigkeit auch in der Unfähigkeit geben kann. Der Fall Cruzan (US Supreme Court 1990). Bereits einige Jahre nach einem Autounfall im Jahr 1983, befand sich Nancy Cruzan im Dauerkoma: Sie war nicht nur nicht mehr bei Bewußtsein, sondern sie konnte auch nicht selbständig essen, trinken oder sonstige Grundbedürfnisse befriedigen. Da sie mehrmals vor ihrem Unfall den Wunsch äußerte, bei Dauerkoma nicht um jeden Preis am Leben erhalten zu werden, riefen die Eltern den Gerichtshof von Missouri an, um die Unterbrechung der lebenserhaltenden Maßnahmen zu ersuchen. In der Berufung sprach sich der Supreme Court für diese Unterbrechung aus, oder besser gegen die Weiterführung der Maßnahmen, denn für sie gab es keine eindeutige und bewiesene Zustimmung der Patientin. Indirekt war es eine erste Anerkennung des Rechts zu sterben“. Darüber hinaus erklärte der Gerichtshof, daß eine geschäftsunfähige Person die selben Rechte genießt wie ein Zurechnungsfähiger, denn beide genießen die selbe Würde“. In seinem “The Pornografy of Death” (Encounter 1955) schrieb Geoffrey Gorer, daß der Tod im 20. Jh zum Tabu geworden ist, anstelle von Sex. Im 15.Jh. erlebte die Ars moriendi“, ein Büchlein in Latein, einen ungeheuren Erfolg in ganz Europa und wurde in 5 Sprachen übersetzt. Das Hauptthema war Schmerz, Leiden und Agonie des Kranken, welches in einer katholischen, christlich-liebenden Perspektive ausführlich behandelt wurde, ohne falsche Scham oder Angst. Heute scheut sich das Abendland, sogar nur darüber zu reden. Was denkt man in diesem kurzen Augenblick des Verscheidens? Und ist es überhaupt nur ein Augenblick? Oder ist es ein gezogener Moment, in Zeitlupengeschwindigkeit, in einem langsamen gehen lassen“? Vielleicht fangen wir an, intensiv das Nichts einzuatmen und gehen unmerklich zu einem Nicht-Atmen hinüber? Aber vielleicht befreit der Todesaugenblick das ganze Leben und der letzte Atemzug wird zum Gedicht. Diese Fragen werden wir uns bis zu unserem Ende stellen. Es ist das Geheimnis des Lebens. Es ist uns aber unbewußt gelungen, einen Laizismus des letzten Willens“ zu erreichen.
„Im Laufe der zweiten Hälfte des 18. Jh. erfolgt eine tiefe Veränderung in der Errichtung von Testamenten in der christlichen (katholischen wie protestantischen) Gesellschaft. Aus einer Litanei von frommen Bestimmungen, Begräbnisvorsorge und Bestellung von Gebets- und Totenmessen wird das, was wir heute noch als Testament kennen: eine rein praktische und rechtsgültige Vermögensverfügung. (Ariès 1997, p.55) Obwohl der Codice Civile (Art. 587) erlaubt, im Testament nicht ausschließlich vermögensrechtliche Angelegenheiten zu bestimmen, sind die Entscheidungen des Erblassers bezüglich persönlicher Bereiche (z.B. Beerdigung oder Einäscherung, Organspende) in der Praxis schwer durchsetzbar, weil die Testamentseröffnung meistens nach der Bestattung stattfindet, oder überhaupt die Suche des beauftragten Notars notwendig ist, und ein nicht gerade funktionierendes Registro Generale dei Testamenti kommt hinzu. Lediglich die Einführung des “living wills” oder der Patientenverfügung könnte diese Probleme lösen, denn nicht nur die Bestimmungen über Behandlungen oder Therapie könnten darin Platz finden, sondern auch jene für die Körperbehandlung post morten“. Die Publizität eines solchen Dokumentes bereits vor dem Tod des Patienten würde gewiß die sofortige Durchsetzung seines Willens ermöglichen.
Fall Frau B
(22.3.2002, Royal High Court of Justice, Family Division) Am 26.8.1999 mußte Frau B ins Krankenhaus eingeliefert werden, wegen einer schweren inneren Blutung. Nach unglücklichen Umständen, bleibt sie ganzkörpergelähmt. Am 23.3.2001 erfolgt ein erneuter chirurgischer Eingriff, der aber nicht erfolgreich verlauft. Frau B verlangt, zum ersten Mal, die Unterbrechung der lebenserhaltenden Maßnahmen (künstliche Beatmung). Die Krankenhausverwaltung veranlaßt eine psychologische Untersuchung, da sie sie für entscheidungsunfähig (beschränkt geschäftsunfähig) hält. Es folgen zahlreiche Gutachten und Gegen-Gutachten, und wiederholte Ansuchen von Frau B, die Maßnahmen zu Unterbrechen, bzw. ihre dezidierte Ablehnung einer künstlichen Lebenserhaltung. Darüber hinaus hatte Frau B bereits nach dem ersten Krankenhausaufenthalt (am 4.9.1999), wie auch erneut am 24. Februar 2000, ein living will“ verfaßt. Beide wurden durch die Ärzte als unwirksam betrachtet. Die erste Fassung deshalb, weil sie nicht ausführlich und detailliert genug war, die zweite deshalb, weil sie zu einer Zeit verfaßt wurde, als die Patientin – nach der Meinung der Ärzte – bereits unfähig“ gewesen war (Krankheit im fortgeschrittenen Stadium). Am Schluß des Verfahrens wurde Frau B vom Richter als völlig zurechnungsfähig erklärt, und dadurch wurde ihr das Recht zugesprochen, bewußt auf lebenserhaltende Maßnahmen verzichten zu dürfen. Insbesondere wurde dadurch bestätigt,
– daß die positive Vermutung der Zurechnungsfähigkeit des Patienten bezüglich Entscheidungen über seine Behandlung vorrangig vorauszusetzen ist. – daß bei zurechnungsfähigen Patienten ihrem Willen vollständig und vollkommen entsprochen werden muß, auch im Falle von Verzicht auf medizinische Behandlungen; dem theoretischen Interesse des Patienten soll in der ärztlichen Betrachtung keine Bedeutung beigemessen werden.
– daß bei Zweifeln über die tatsächliche Zurechnungsfähigkeit des Patienten, die Frage umgehend durch die Ärzte behandelt und gelöst werden muß. – daß, während die Zurechnungsfähigkeit evaluiert wird, die Behandlung im Sinne der – durch den Arzt zu bewertenden – Patienteninteressen durchgeführt werden soll
– daß bei Zweifel über die Zurechnungsfähigkeit des Patienten, sein Verzicht auf die Therapie nicht automatisch auf eine Geschäftsunfähigkeit zurückschließen lassen soll. – daß eine Zurechnungsfähigkeit durch mehrere Sachverständige unabhängig voneinander festgestellt werden soll.
– daß das ärztliche und Pflegepersonal jeden Patienten, auch schwer Kranke im Endstadium, gleich wie eine Geschäfts- und zurechnungsfähige Person behandeln muß.
Diese Empfehlungen wurden allerdings nicht vollständig und nur für kurze Zeit angewendet. Frau B stirbt am 30. April 2002. (Cendòn) Der Fall ist emblematisch für seine problematischen Aspekte: einerseits das legitime Recht selbst über eigene lebenserhaltende Maßnahmen zu bestimmen, andererseits die Notwendigkeit, die Zurechnungsfähigkeit des Patienten festzustellen. Eine schwierige, heikle Aufgabenstellung für den Gesetzgeber. Ein (auch vermindert) zurechnungsfähiger Patient in Endstadium kann/darf – auch in unserem Rechtssystem – die Unterbrechung der lebenserhaltenden Maßnahmen verlangen, nicht aber bei Unfähigkeit. Eine deutliche Ungerechtigkeit und rechtliche Diskriminierung. Die bittere und beschämende Erkenntnis, daß einem unzurechnungsfähigen Patienten sein Recht abgesprochen wird, daß vor dem Recht zurechnungsfähige und unzurechnungsfähige Personen nicht die gleiche Würde genießen. Ungleich auch im Tod. Wenn uns allen das – natürliche und verfassungsgeschützte – Recht gegeben ist, ein würdiges Leben zu führen, warum wird uns bei Unzurechnungsfähigkeit das Recht abgesprochen, mit Würde den Tod zu erleben (erfahren)? Vielleicht weil unser Recht weder den Tod als Tatbestand“ anerkennt, noch das Recht schmerzlos zu sterben; es spricht dem Schmerz keine juridische Würdigung zu, sondern es sieht ihn wie einen verpflichtenden Zustand des Lebensende. Die bittere Wahrheit ist, daß Schmerz und Tod eine höchstpersönliche Angelegenheit sind, sie treffen nie mich“ sonder immer nur die Anderen“, deswegen haben sie bis heute keinen juridischen Wert erlangt. Und dabei denke ich nicht einmal an die Sterbehilfe, nicht einmal die passive Sterbehilfe. Sie sind unserer Geschichte, Kultur und Empfinden noch viel zu fern, zu fremd. Allerdings sind Schmerz, Leiden und Tod – gerade weil sie so höchstpersönliche Angelegenheiten sind – Teil unserer Geschichte und unserer Entwicklung.
Und das sollte sehr wohl Rechtsobjekt sein, oder werden, sowohl für zurechnungsfähige als auch für unzurechnungsfähige Personen/Patienten, denn alle sind Träger von Rechten. Warum sollte ich unnatürlich und übermäßig leiden, wenn ich im Voraus selbst bestimmen kann, ob ich dahinvegetieren“ will oder ein unwürdiges und meinem Wesen nicht entsprechendes Bild hinterlassen will? Ich wünsche mir, und habe das Recht dazu, als Mensch würdig zu leben, ob arm oder reich, ob Sünder oder Tugendhafter, wenn es das Ergebnis von meiner bewußten Entscheidung ist. Und warum sollte ich diese Entscheidung nicht in meine Zukunft als Unzurechnungsfähiger vorausschicken? Jeder, glaube ich, möchte seinen letzten Augenblick in menschlicher und persönlicher Würde erleben, und obwohl der Körper die Zeichen, ein langsames Verfallen, bloßlegt, lieber ein sanftes Lächeln auf den Lippen behalten, als mit einer schmerzlichen Gesichtsverzerrung sich verabschieden. Es ist unser Recht zu entscheiden, ob wir mit dem Schmerz leben wollen oder ihn vermeiden; und wenn das unzurechnungsfähige Rechtssubjekt nicht darüber entscheiden darf, wird die Person doppelt bestraft. Es ist unsere Aufgabe, als Juristen, einen rechtlich-gesetzlichen Rahmen für eine mögliche Unzurechnungsfähigkeit zu schaffen, ob wir ihn living will“, testamento in vita“ oder Vorsorgevollmacht“ nennen. Wir sind fachlich dazu in der Lage und es wäre eine Sünde nicht in diesem Sinne aktiv zu sein. Den Schmerz zu versagen und dem Tod seine Würde wieder zu geben ist ein Recht. Rechtsquellen und aktuelle Gesetzeslage Art. 32 Abs. 2 ital. Verfassung : Verbot für verpflichtende medizinische Behandlung außerhalb der gesetzlichen Bestimmungen; „Niemand kann zu bestimmten medizinischen Behandlungen gezwungen werden, außer durch das Gesetz. Jedenfalls muß das Gesetz jene Grenzen achten, die der Respekt für das menschliche Wesen verlangt. Art. 13 ital. Verfassung – Allg. Prinzip der Selbstbestimmung; Art. 32 Codice di deontologia medica
– Ethischer Ärztekodex: Der Arzt darf keine Diagnose oder Therapie einleiten, ohne im Voraus die Zustimmung des wissenden (informierten) Patienten einzuholen. Art. 34 (ebendort) – „Der Arzt muß den frei geäußerten Willen des Patienten respektieren, unter Beachtung seiner beruflichen Würde, Freiheit und Selbständigkeit. Sollte der Patient nicht in der Lage sein seinen Willen zu äußern, so darf der Arzt auch bei Gefahr in Verzug (Lebensgefahr) die zu einem früheren Zeitpunkt vom Patienten geäußerte Verfügung nicht außer Acht lassen. In Bezug auf Minderjährige, muß der Arzt den Patienten informieren und seinen Willen beachten, seinem Alter und Auffassungsvermögen angemessen und unter Beachtung der Rechte des rechtlichen Vertreters; ähnlich soll sich der Arzt gegenüber einem Volljährigen aber vermindert zurechnungsfähigem Patienten verhalten.“ Diese Bestimmung ist beeindruckend wegen ihrer Aktualität und Ausführlichkeit, auf alle wichtigen Fragen wird hier hingewiesen: Zurechnungsfähigkeit, Geschäftsunfähigkeit, Minderjährige, Zustimmung des Patienten und sein früher geäußerter Willen (Patientenverfügung). Art. 2 e 3 Europäische Menschenrechtskonvention : Mit Bezug auf das darin verankerte Recht auf Leben und Folterverbot, sehen hier einige Meinungen eine Einleitung zum Recht auf die passive Sterbehilfe (siehe Fall Diane Pretty), was in meiner persönlichen Auffassung die Grundidee dieser Bestimmung überspannt. Gesetz vom 14.3.2001 “Ratifizierung und Implementierung der Oviedo – Konvention” (Europarat – Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin von Oviedo, 4.April 1997 – bzw. Zusatzprotokoll vom 12.1.1998 n.168: Verbot des Klonens von Menschen). Konvention, Kapitel II – Einwilligung.: Art. 6 Abs. 3: Ist eine volljährige Person aufgrund einer geistigen Behinderung, einer Krankheit oder aus ähnlichen Gründen von Rechts wegen nicht fähig in eine Intervention einzuwilligen, so darf diese nur mit Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters oder einer von der Rechtsordnung dafür vorgesehenen Behörde, Person oder Stelle erfolgen.“ Art. 5 Codice Civile , (Verfügungen über den eigenen Körper) allerdings in seiner positiven Auffassung Und wenn wir uns mit dem law in action“, mit dem gelebten und angewendeten Recht befassen, dürfen wir den Notar nicht vergessen, und seine solidarische Ethik, ein enges Band, das gelebtes und lebendiges Recht und die Gesellschaft verbindet.
Der Rechtsgedanke enthüllt seine komplexe Natur, seine durchdachte Dimension streckt seine Wurzel in ein feinmaschiges, tagtägliches Leben, welches seine tiefe Dimension darstellt. Der Rechtsgedanke darf nie diese fleißige Stätte vergessen, wo neben den hohen Prinzipien, Gesetzen und Verwaltungsakten, Verträgen oder Testamenten, Gerichtsklagen und Tatbestände entstehen, eine ganze Reihen von konkreten Tatsachen, welche dann auf einem höherem Niveau eingeordnet werden, in einer Gesellschaft, in einer Kultur, in einer Wissenschaft.“ Der Rechtsgedanke ist zweifelsohne eine Philosophie, oft aber wird sie dem Philosophen entzogen: die noch gebrochene Sprache, die später Diskurs wird, jedoch in ihrem Kern bereits ihr Wesen behält, entsteht auf den Schreibtischen der Notare, Anwälte und Richter.“ (Paolo Grossi, 1988) Wir Rechtsarbeiter“ tragen die Verantwortung für diese Sprache und für dieses Wesen, das aus der Gesellschaft und ihren Bedürfnissen entsteht; wir müssen solidarisch wirken, bewußt von unserer sozialen Dienlichkeit“ und öffentlichen Funktion. Wir sollen uns nicht abschotten, verstecken in unseren vier Wänden, sondern auf die Straße gehen, die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen auflesen, denn die Zeit ist gekommen, wo ein lebendiges und gelebtes Recht, von der Praxis geboren, das aufgebürdete Recht ersetzen soll. Die tagtägliche Praxis darf nicht zu trockener Anwendung von geltendem Recht werden, sondern lebhaft und schöpferisch sein, eine Werkstatt, wo die Wünsche und Bedürfnisse der Gesellschaft und des Individuums aufgenommen und erfüllt werden. Wir Juristen tragen die Verantwortung der korrekten Interpretation dieser Sehnsüchte, wir sollen sie aber auch fühlen können: fast mit juridisch-sokratischer Hebammenkunst helfen wir die gesellschaftlichen Ideen zu Norm und Gesetz zu werden. Daher haben wir die Pflicht, aufmerksam zuzuhören und verständnisvoll zu begreifen. Wie Mengoni sagte, soll das gelebte Recht als eine gefestigte Rechtssprechung verstanden werden, welche durch die Zahl homogener und qualifizierter Rechtssprüche betätigt wird. Ich persönlich gehe einen Schritt weiter: Das gelebte und lebendige Recht ist der Gegenspieler zu der starren, staatlich kodifizierten Norm. Es ist jenes sich ständig entwickelnde Recht, welches durch uns – aus der Praxis – und nicht durch den Staat das sigillum jurisprudentiae“ erhalten kann. Gerade in dieser sozialen Verantwortung liegt das Fundament der neuen, solidarischen Ethik des Notariats. Und der starke Ruf zu dieser neuen, sozialen Ethik kommt durch den Hilferuf des Sterbenden, oder besser gesagt des geschäftsunfähigen Sterbenden, für den ein Instrument gegen seine Diskriminierung geschaffen werden soll, damit er nicht zum vegetierenden Wesen oder gar Objekt“ reduziert wird. Die Schmerztherapie hat selbst bereits durch die Einführung der Opiate (Gesetz 12/2001) viel beigetragen, dem Tod schmerzfrei und würdiger entgegen zu treten.
Warum soll das für den Geschäftsfähigen, oder Zurechnungsfähigen erlaubt sein, und nicht für den Unfähigen? Sind ihre Schmerzen unterschiedlich zu bewerten? Nicht die (verbissene) klinische Lebenserhaltung ist die Lösung, und eine Verlängerung der Schmerzen bringt keine seelische Erlösung, es bleibt schlicht und einfach nur Schmerz. Die lebenserhaltenden Maßnahmen (Hydratation, künstliche Beatmung oder Ernährung mit Sonde) sind nicht mehr als notwendige Maßnahmen zu betrachten, denn sie würden nicht ein Leben erhalten, sondern einem Sterbenden seinen Todesaugenblick verlängern (S antos suoso 2000, 2034) Warum sollten wir einem Geschäftsfähigen die Möglichkeit versperren, rechtzeitig Vorsorgemaßnahmen für seine eventuelle Unfähigkeit zu treffen?
Ein italienischer Fall
Der Vater und rechtlicher Vertreter rief das zuständige Gericht an, um die Unterbrechung der künstlichen Ernährung für seine sich im Dauerkoma befindliche Tochter zu erwirken. Die Corte d’Appello – Berufungsinstanz in Mailand – lehnte später sein Ansuchen ab, mit der Motivation, daß die künstliche Ernährung nicht als Therapie anzusehen ist, sondern ein elementarer, lebenserhaltender Behelf ist, und daher moralisch unabdingbar“. Später allerdings wurde das Prinzip zum Ausdruck gebracht, daß es in der Macht des rechtlichen Vertreters steht, Maßnahmen für den bewußtlosen Patienten abzulehnen, wenn die Umstände es erfordern. (CENDON). Hier fängt man an, ein lebendiges“ Recht anzubahnen.
Ausländische Erfahrungen
Zuerst begann man über Bioethik in den 60er zu sprechen, in den USA, in einem Rechtssystem, welches – weil fallbezogen und auf Judikatur basierend – immer zugänglicher für die neuen, aus individuellen Bedürfnissen entstandenen Anliegen gewesen ist. Und wenn man von Sexualität, künstlicher oder unterstützter Befruchtung, therapeutischen Maßnamen, informierter Zustimmung, Forschung, Organspende und -transplantation, oder gar über Einsatz der Leichen für Untersuchung und Forschung die Rede ist, dann berührt man immer die sensibelsten, grundlegenden und höchstpersönlichen Menschenrechte. Und in diesem Moment entsteht aus der Bioethik das biologische Recht, und wir Juristen müssen auf einer Dialogebene mit dem Philosophen und Ethiker, mit dem Wissenschaftler stehen, eine höchst interdisziplinäre Gesprächebene. Als in den USA, in den 70ern, über Selbstbestimmung und Autonomie gesprochen wurde, als zum ersten mal von informed consent“ und Patientenrechten die Rede war, wurden auch umsichtig die ersten living wills“ verfaßt. Aber erst mit dem Fall Quinlan“ gelangte das Thema in die breite Öffentlichkeit. Der Supreme Court von New Jersey erkannte damals das – verfassungsgeschützte – Recht, außergewöhnliche Maßnahmen zur künstlichen Lebenserhaltung von unheilbaren, schwerkranken Unzurechnungsfähigen zu unterbrechen, ob dies unmittelbar vom Patienten oder von seinem Vertreter verlangt wird.“ (Salito) Oktober 1976 tritt in Kalifornien der Natural Death Act“ in Kraft, worin informed consent/ dissent“, Patientenrechte und Möglichkeiten einer frühzeitigen Erklärung bezüglich therapeutischen oder lebenserhaltenden Maßnahmen geregelt werden. Seit diesem Zeitpunkt erfolgten zahlreiche Richtersprüche und Gesetze – unter anderem der Uniform Act“ – welche vielleicht nicht alle bindend sind, jedoch für den gesamten Bund gelten. Bis dato haben fast alle Bundesstaaten ihre diesbezügliche Gesetzeslage aktualisiert: Manche Bestimmungen beschäftigen sich vor allem mit living will“ und vorsorglichen Erklärungen, andere (wie z.B. in Illinois, South Dakota und Texas) machen sich auch über Gültigkeit, Form, Publizität dieses Dokuments, und haben zum teil auch Zentralregister eingeführt, welche telefonisch oder via Internet vom behandelnden Arzt abgerufen werden können. Wie man sieht, taucht ein neues Problem auf, und zwar die Bekanntgabe und der Zugang zu einer sehr sensiblen Aktensammlung.
Kanada
Dieses Land war und bleibt ein Pionier in dem Kampf für die Menschenrechte, und deswegen hat es eine diesbezügliche Gesetzgebung bereits seit 1983, in und für alle seine Provinzen. Besondere Aufmerksamkeit wird dem informated consent“ und dem living will“ gewidmet. Diesbezüglich möchten wir hier das vorformulierte Beispiel für einen living will, welches sehr klar und ausführlich vom Joint Center for Bioethics“ der Universität Toronto verfaßt wurde, zeigen. Er ist in zwei Teile gegliedert, der erste Teil beinhaltet die Ernennung des rechtlichen Vertreters für den Fall der Unfähigkeit, der zweite Teil enthält eine ganze Reihe von detaillierten Anweisungen bezüglich Pflege- bzw. Therapiemaßnahmen des (geschäftsunfähig gewordenen) Vollmachtgebers. Die offizielle, bahnbrechende und eindeutige Bezeichnung dafür in Quebeq lautet Mandat en prevision de l’inaptitude“, also Vollmacht in der Eventualität der Unzurechnungsfähigkeit. Dieses Mandat darf von einem Volljährigen für den Fall einer Geschäftsunfähigkeit bzw. Unzurechnungsfähigkeit durch öffentliche Beurkundung oder Privatauftrag vor Zeugen erteilt werden, und erlangt rechtliche Wirkung beim Eintreten der Geschäftsunfähigkeit, durch Genehmigung des Gerichts auf Ansuchen des Bevollmächtigten“ (Art. 2166) (A.d.Ü – keine sonstigen Angaben bezüg. Rechtsquelle) Aus dieser Erfahrung entstand auch das Projekt des Consiglio Nazionale del Notariato Italiano und jenes der Sektion Sardinien. Das sind zweifelsohne die ersten konkreten Antworten auf die Bedürfnisse der jetzigen Gesellschaft. Interessant ist noch die Tatsache, daß weitere formelle Maßnahmen für die vor einem Notar erteilte Vollmacht, welche wegen des Publizitätsprinzips eine Eintragung in einem Register benötigt. Ein solcher wurde durch die Chamber of Notaries of Quebec am 29. August 1991 (Salito).
Die Europäische Erfahrung
Die Oviedo-Konvention wurde bereits erwähnt. In der Folge war Dänemark das erste Land, welches diesbezügliche Gesetze erließ: das am 18.9.1992 verabschiedete Gesetz Nr. 782 bestimmt, daß das „livstestamenter“ aus einem dreigeteilten Formular bestehen soll, und zwar eine Ablehnung von therapeutischen oder lebenserhaltenden Maßnahmen bei Krankheit im Endstadium, eine ähnliche Ablehnung für den Fall von krankheits-, unfall- oder altersbedingter schwerer Invalidität, und ein Ansuchen um schmerztherapeutische Maßnahmen. Ersteres ist sofort bindend für den behandelnden Arzt, die weiteren Anordnungen nur nach eingehender Überprüfung. (Cendon) Vorgesehen ist auch die Einführung eines für den Arzt zugänglichen Registers (eine politische Entscheidung), aber leider keine besondere Maßnahme zur Überprüfung der Echtheit des Dokuments. In den Niederlanden tragen Patienten, die besondere Wiederbelebungsmaßnahmen ablehnen, einen besonderen Anhänger. In Spanien wurden zuerst durch das Katalanische Parlament (21.12.2000) und letztlich auch durch das Königliche Parlament Gesetze bezüglich informierter Zustimmung und Vorsorgebestimmung erlassen, wodurch ein Volljähriger im Voraus seinen Willen bezüglich Therapie oder lebenserhaltenden Maßnahmen, wie auch Bestimmungen über post-mortem Maßnahmen bekunden und festlegen kann, welche rechtskräftige Wirkung erst im Falle von Geschäftsunfähigkeit erlangen. Der Verfasser darf auch einen rechtlichen Vertreter nennen, welcher zu dem späteren Zeitpunkt auch als Ansprechperson für den Arzt und das Pflegepersonal sein wird. Diese Lösung fand ausdrückliche Zustimmung der spanischen Bischofskonferenz. In Deutschland, wo dem gelebten“ Recht hohe Bedeutung beigemessen wird, gibt es die Vorsorgevollmacht, welche auch Gesundheitsmaßnahmen beinhaltet. Darüber hinaus entstanden aus der Notariatstradition Patientenverfügungen, welche vorwiegend zur Kenntnis der Familienmitglieder gedacht sind. Diese Letzteren sind ein Notariatsakt, welcher ein Vorwort vorsieht, in dem der Verfasser seine Absicht ausdrücklich bekundet, eine geschäftsregulierende Verfügung zu treffen für den Fall, daß er sich irgendwann nicht mehr im dazu geeigneten geistigen Zustand befinden soll. Danach folgt die Auflistung seiner Bestimmungen bezüglich eventueller medikamentöser oder therapeutischer Maßnahmen, Schmerzmittel u.ä. Dem Dokument wird auch eine durch den Notar beglaubigte ärztliche Diagnose beigelegt (Salito). Besonders wichtig ist, daß dieser Wille aktuell“ ist und sein kann, denn das Dokument kann regelmäßig überprüft und revidiert werden, und jede Aktualisierung wird im Dokument selbst vermerkt. In der Schweiz wird zwar darüber diskutiert, allerdings wurde noch kein diesbezügliches Gesetz erlassen, außer in einigen Kantonen wie Luzern, Zürich und Wallis. Frankreich kennt ein testament de vie“, allerdings nur in der Theorie, nicht im praktischen Normen geregelt. Darüber wird auch hier viel diskutiert. In den Common Law Ländern findet man keine spezifische Norm, jedoch zeigt sich ein Trend zur rechtlichen Gültigkeit der Selbstbestimmung. Die Enduring Power of Attorney“ ist nichts Anderes als eine Vollmacht mit vermögensrechtlichen und gesundheitsspezifischen Verfügungen. Ein originelles Merkmal: Die Unterzeichnung des Verfassers wird durch den ärztlichen Leiter des Krankenhauses beglaubigt. Kein Zufall, daß die sonst so formfreie Gesetzgebung der Vereinigten Staaten für dieses Dokument die Mitwirkung eines Notars und zweier unabhängiger Zeugen bestimmt, eine Absicherung die fehlt, wenn der Arzt allein darüber waltet (siehe Fall B) I
Italienische Projekte
Erste Vorschläge entstehen 1999, mit dem Gesetzesvorschlag von der Parlamentsabgeordneten Frau Grignaffini (eingeordnet unter Nr 5673), welcher nochmals 2000 dem Senat mit Unterstützung von Senator Acciarini vorgelegt wurde. Darin sind das Recht auf Information, auf Ablehnung für Behandlungen und auf die vorausgehende Abgabe einer vorsorglichen Erklärung postuliert. Trotz dieser Prinzipienfeststellung ist das Papier recht mangelhaft an Details über Publizität und Zugänglichkeit der Erklärungen und sehr oberflächlich in den Bestimmungen über die Überprüfung der Voraussetzungen, mit anderen Worten bietet der Vorschlag eine gefährlich ungenaue Bestimmung über die notwendigen Bedingungen für die Feststellung der Unfähigkeit. Nicht nur der Staat, sondern auch Privatinitiativen überlegen Lösungen dafür, so z.B. die 1992 von der Consulta (Rat der Bioethik) vorgelegte Charta zur Selbstbestimmung“. Darüber hinaus bringen wir die in der italienischen Rechtspraxis bereits bekannten Vorsorgeerklärung (direttiva anticipata): Die Azienda Sanitaria Locale (entspricht der Gebietskrankenversicherungsanstalt) Venedig bietet dem Patienten die Möglichkeit, sowohl Vorsorgeverfügungen zu treffen, als auch einen Vertrauten“ zu ernennen. Auch wurde am 23. Mai 2003 dem Senatspräsidenten der Gesetzesvorschlag nr. 2279 (durch Abg. Ripamonti und Del Pennino vorgelegt über Normierung der informierten Zustimmung und der Willenserklärungen bezüglich Gesundheitsmaßnahmen“. Leider sind ebenfalls hier zwar Prinzipien und rechtliche Grundsätze (Recht auf Ablehnung von lebenserhaltenden Maßnahmen um jeden Preis, Zustimmung des Patienten etc.) zusammengestellt, nicht jedoch die Details über Prozeduren, Formalitäten und Anwendungsbereiche. Ferner sind weder Publizität der Erklärungsurkunde noch ihre Zugänglichkeit, sondern lediglich ein Vermerk in der Krankenakte vorgesehen; sollte der Patient bereits stationär aufgenommen sein, wird seine Unterschrift nicht vom Notar sondern vom Direttore Sanitario (ärztlicher Leiter) beglaubigt. Selten achtlos scheint die stete Unterlassung von Bestimmungen bezüglich Publizität und Zugänglichkeit. Im Bereich der Organspende, der Bestimmungen post-mortem, living will oder Vorsorgeverfügung ist aber eine (am besten EDV-unterstützte) Datenarchivierung unabdingbar, damit sie schnell und problemlos wieder abrufbar sind und zugänglich, ohne dabei aber gegen den Datenschutz zu verstoßen. Andere Projekte und Gesetzesvorschläge gibt es, worüber ich heute bewußt nicht referiere, da ihre Hauptzielrichtung eher die Normierung der – aktiven oder passiven – Sterbehilfe ist, ein sehr fernes Ziel für die italienische Realität.
Zusammenfassung und Anregung
Ich hoffe, hiermit ein Panorama ermöglicht zu haben, vor allem über die gesellschaftliche Bedeutung von Themen wie living wills, oder Vorsorgebestimmungen im Allgemeinen, wie auch Schmerz und Leiden, die Würde des Leidenden und die juridische Würde eines Sterbenden im Besonderen. Ich hoffe, verdeutlicht zu haben, wie wichtig die Notariatskanzlei als Werkstatt des gesellschaftlichen Rechtsbewußtseins“ sein kann, als Wachturm oder Radar, wo mit Mut und Bedacht die Entwicklungen des lebendigen und gelebten Rechtes zu brauchbaren Lösungen erarbeitet werden. Ich hoffe, die soziale Verantwortung von uns allen, eine solidarische und ethische Verantwortung (wieder)erweckt zu haben, die Aufmerksamkeit auf die Entwicklungsprobleme des Rechtes gerichtet zu haben, eine Art positiven und kreativen Diskurs angeregt zu haben. Nicht geschwiegen werden kann und darf über die komplexe und interdisziplinär notwendige Analyse und über einen unerläßlichen ethischen, religiösen, rechtswissenschaftlichen Zugang, damit ein unklares Geplapper“ zu fruchtbarem Diskurs wird. Andererseits darf die normative Lösung – wohl unter Bedacht der vielseitigen Anforderungen – nur eine laizistische sein. Und auf dieser Spur bleiben die Kollegen aus Sardinien und ich, und wir gehen weiter in die Vertiefung der außerordentlichen, durch das Consiglio Nazionale geleisteten Arbeit.
Informierte Zustimmung
Sie ist die unentbehrliche Basis für die neue Gesetzesstruktur bezüglich der Patientenrechte. Die paternalistische Beziehung zwischen Arzt und Patient ist längst passé, nun ist es an der Zeit, daß sie zwischen einem qualifizierten Professionisten und einem bewußten und auch juridisch selbstbestimmungsfähigen Patienten stattfindet. Und um eine ehrliche und juridisch gültige Zustimmung zu erlangen, soll sie spontan, ausdrücklich und wesentlich sein, als Folge einer ausführlichen und wesentlichen Information über Art, Risiken und therapeutische Möglichkeiten des Krankheitsbildes, und mit der Option des Widerrufes. Diese Information soll durch das behandelnde Personal (bzw. Arzt) im Verhältnis zum Patientenalter, -leiden und psychischen Zustand stehen, insbesondere gegenüber jüngeren Patienten (Minderjährige, i.S. Art. 6 Abs.2 Oviedo-Konvention) obwohl ihnen durchaus ein gewisser Grad an Reife, Verständnis und dementsprechender Selbstbestimmung zugesprochen wird, wie das auch im Übereinkommen über die Rechte der Kinder“ – durch das festgelegte Recht einer eigenen Meinungsäußerung – bestätigt wird. ( Calò – Carta di Autodeterminazione).
Warum ein living will?
Als natürliche Folge des Lebens kommt am Ende der Tod. Nicht natürlich – weil eigentlich nicht notwendig – ist der schmerzerfüllte Tod eines Körpers, der sich selbst nicht mehr unter Kontrolle hat. Wenn wir dem Tod wieder seine Würde zurückgeben, geben wir auch dem Sterbenden – und seinen Entscheidungen – eine rechtliche Würde wieder. Der living will – oder testamento biologico oder Patientenverfügung – ist dabei die fundamentale Entscheidung, denn dadurch wird eine freie Wahl getroffen, ob man den eigenen Tod vegetierend und nach einem endlosen Warten erreicht, oder ob man dem Tod würdig begegnet. Was nutzt medizinische Verbissenheit, wenn das Bewußtsein bereits entschwunden ist? Die zivilisierte Antwort gibt ein living will“. Außer Diskussion steht, daß es ein einseitiges Rechtsgeschäft ist. Ob das auch wortwörtlich als Testament zu nehmen sei ergibt eine rege Diskussion; viel interessanter aber ist die Tatsache, daß es zu einer Rechtswirkung erst beim Eintreten der Unfähigkeit kommt, allerdings noch während des Lebens des Verfassers. Testament ist es aber insofern, als es sich hier um eine vorausblickende Verfügung“ handelt. Sie ist aber auch bestimmt und gezielt zu einem spezifischen Ereignis (Unfähigkeit – bei späterem Bedarf – den eigenen Willen zum Ausdruck zu bringen) und zu beschränkten Situationen, wie Wahl von therapeutischen, lebenserhaltenden Maßnahmen oder ihre Ablehnung. Daher muß eine menschliche, menschenwürdige und vernünftige Patientenverfügung unbedingt als Inhalt die ausdrückliche Zustimmung/Ablehnung zu bestimmten Eingriffen, aber auch Verfügungen post-mortem (wie Bestimmungen über eventuelle Organspende, Zur-Verfügung-Stellen des Leichnams für die Wissenschaft, Beerdigung, etc…) enthalten. Obwohl ein einseitiges Rechtsgeschäft eines Lebenden vorliegt, kann es auch Testament sein, denn es nimmt Entscheidungen über Handlungen vorweg, die eigentlich in einer noch nicht aktuellen, und eventuellen Situation getätigt werden sollten. Eine Situation wo die Unzurechnungsfähigkeit zwar nicht d as Leben an sich beendet, doch aber die Rechte erlöschen läßt. Auch jene der Entscheidungsfindung. Die Bedeutung dieser vorweggenommenen Entscheidung bedarf einer bedeutenden Form, die keine andere sein kann als ein Notariatsakt. Offiziell und feierlich. Und genau so feierlich soll man diese Entscheidung auch widerrufen dürfen. Fraglich ist es, ob die Aktualität einer Krankheit eine zwingende Voraussetzung sei für bestimmte Entscheidungen. Daher die Unsicherheit, ob diese besondere Art von Testament/Verfügung“ zeitlich unbeschränkte oder beschränkte Gültigkeit haben soll, bzw. regelmäßig einer Revision unterzogen werden soll. Denn das Kranksein oder Nicht-Kranksein kann einen starken Einfluß auf die Gestaltung vieler Entscheidungen haben.
Warum eine Vorsorgevollmacht?
Zuerst fragt man sich, warum eine Vollmacht und nicht ein Vertretungsmandat. Das grundlegende Merkmal dieser Rechtsgeschäfte ist, daß sie ein rasches Verfahren und rasche Durchführung benötigen. Durch ein Vertretungsmandat wäre bei Durchführung der Geschäfte unter Umständen eine Zustimmung und Überprüfung des Mandanten erforderlich. Hier aber ist die sofortige Übernahme“ der Geschäfte notwendig, falls die Geschäftsunfähigkeit eintritt. Bezüglich der Form plädiere ich auf jedem Fall für eine offizielle, feierliche Form, also eine öffentliche Beurkundung durch einen Notar, nicht um dem Notar vielleicht weitere zusätzliche Funktionen zuzusprechen, sondern damit die Bedeutung der Handlung und seine Tragweite sowohl für ihn als Berater, als auch vom Machtgeber tief begriffen werden können. Inhaltlich soll das Dokument so ausführlich wie nur möglich sein, damit der Machtgeber sich in allen Belangen mit ruhigem Gewissen absichern kann.
Wann tritt die Geschäftsunfähigkeit ein?
Unabdingbare Voraussetzung für die Rechtswirkung sowohl der Patientenverfügung als auch der Vorsorgevollmacht kann lediglich die eindeutige und unwiderlegbare Feststellung eines Dauerzustands von Geschäftsunfähigkeit des Patienten sein. Das ist der sensibelste Moment für die Gesetzgebung, denn hier muß diese Feststellung schnell, problem- und zweifellos, und vor allem (auch medizinisch) fehlerfrei erfolgen. Diese Feststellung sollte zwar einem Richter zugesprochen werden, allerdings wissen wir alle wie langwierig und langsam die Prozeduren bei den überlasteten und überforderten Gerichten geworden sind. Daher plädieren wir dafür, daß diese Zertifizierung“ ärztlich erfolgt, es handelt sich doch um eine gesundheitsbedingte Unfähigkeit. Natürlich wird die Entscheidung nicht einem einzigen Arzt alleine, sondern einem Gremium überlassen, dem verschiedenen Experten angehören. Ein mutiger Schritt, für unser Rechtssystem, aber der einzige, der einen laizistischen, wirkungsvollen Zugang bewirkt, denn wir wollen, wenigstens dieses eine Mal, Berufungen und Genehmigungen vergessen und eine reine, fachliche Entscheidung ermöglichen. Die Bürokratie links liegen lassen soll nicht mit Angst oder Ehrfurcht verbunden sein, sondern Ansporn sein, neue Wege zu erforschen. Selbstverständlich muß die ärztliche Diagnose und Bestätigung einer Unfähigkeit offiziellen Charakter haben, d.h. sie muß entweder vor einem Notar als Erklärung abgegeben und von ihm beurkundet und eingetragen werden, oder vom ärztlichen Leiter als Postille zur bereits notariell beurkundeten, vom Patienten abgegebenen Willenserklärung angebracht werden.
Schlichtung von Streitigkeiten
Dem Richter bleibt auf jedem Fall die Rolle der schlichtenden Rechtsinstanz, als einzige entscheidende Instanz bei jeglichem Streit, und er wird seine – im Detail motivierte und in der Prozedur schlanke – Entscheidung abgeben, wenn er von jedem angerufen wird, der ein Interesse an einer Klärung der Sache hat (Familienmitglieder des Patienten, Sachwalter, Pflege- bzw. ärztliches Personal, Staatsanwalt….)
Steuerliche Aspekte
Aufgrund der bereits angesprochenen ethischen Auffassungen, der solidarischen und sozialen Aspekte, der gesellschaftlichen Wertung, der Rolle des Notars als solidarische Instanz, sind wir überzeugt, daß eine solche juridische Handlung, bzw. Prozedur nicht nur steuerbegünstigt werden sollte, sondern zur Gänze steuerfrei erfolgen soll, und daß die beruflichen Honorare auf ein Minimum reduziert werden sollen.
Publizität und Zugänglichkeit
In den USA, wo living will“ und Vorsorgevollmacht seit längerer Zeit ihre Entwicklung erleben, hat man sofort die Bedeutung und die Notwendigkeit ihrer Publizität erkannt, bzw. daß ein wesentlicher Punkt in der Norm die Regelung über Registrierung und Zugänglichkeit darstellt. Einige Staaten – wie Illinois und South Dakota – haben eigene Datenbanken eingeführt, die von den Ärzten telefonisch oder auch über Internet abgefragt werden können. In Italien haben wir alle die Mißerfolge vom Re gistro Generale dei Testamenti (Testamentsregister), die mühsame und nicht fehlerlose elektronische Entwicklung vom Firmen- und Immobilienregister gut in Erinnerung. Andererseits sind wir über die unglaublichen Möglichkeiten der technischen Entwicklung in unserem Berufstand überzeugt, denken wir an die Erfolge von Notartel. Jeder von uns erfährt Tag für Tag von Personen, die vergeblich auf eine Transplantation warten müssen (und sterben), nur wegen bürokratischer Hürden, von jenen, die sich zwar eine Einäscherung erwünscht haben, jedoch anders bestattet werden, weil ihr Wille nicht deutlich oder öffentlich bekannt wurde (oder die zuständigen Personen schuldhaft diesem Wunsch nicht nachgehen). Gerade aufgrund dieser Mißstände glaube ich, daß es eine neue, sicher zu bewältigende Herausforderung für den Notar sein kann, selber ein digitales Archiv zu gestalten und zu führen, in der alle wesentlichen Informationen eingetragen werden, (wie biologische Daten für eine eventuelle Organspende) und welches – paßwortgeschützt – nur von Notaren oder ärztlichem Personal zugänglich sein darf. Eine Herausforderung, die wir bewältigen können; damit könnte der Notar seine hiermit bewiesene Kompetenz auf die Verwaltung von weiteren Registern erstrecken. Der mutige Notar soll als Erster kühn erscheinende Entscheidungen treffen, er soll Herausforderungen nicht nur annehmen sondern selber stellen. Conclusio – Ein Traum, nicht eine Chimere Es ist schwierig und betrübend das Lebensende als Arbeitsthema“ betrachten zu müssen. Es ist aber zugleich gerechtfertigt und notwendig, und für uns Juristen eine Verpflichtung, wenn man diesem Augenblick eine juridische Würde verleihen will. Gerade wir Juristen, die mit und für das Recht leben, können und sollen eine durchdachte Regelung vorschlagen, es wäre befriedigend und ermutigend für unseren Berufsstand, wenn wir die rechtliche Lösung fänden, wenn durch unsere Mitwirkung der unsausweichliche letzte Atemzug über das Recht hinaus unanfechtbare Würde erhalten könnte.