Die Französischen Reform der dinglicher Haftung XXXI
Tagung des Österreichisch-Italienisches Komitee des Notariates Heiligenblut,
23. September 2006
Drin. Francesca Fiorentini – wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Max-Planck-Institut Hamburg und beim Zentrum für europäische Rechtspolitik Bremen
1. Die Reformbewegung des Code Civil.
Das 200jährige Jubiläum der Einführung des Code civil gab in Frankreich Anlaß zur Überdenkung und Überlegung, wie zeitgemäß seine Bestimmungen noch sind, insbesondere in Bezug auf Kernfragen von vermögensrechtlichen Verhältnissen. Das Streben nach einer zivilrechtlichen Reform – scheinbar durch die Feierlichkeiten veranlasst – ist aber sicherlich mit der letzten deutschen Reform des Schuldrechtes verbunden, womöglich durch sie inspiriert. Die Schuldrechtsmodernisierung (SMS 2001) Deutschlands hat wieder die Aufmerksamkeit auf die zivilrechtliche Kodifizierung als wissenschaftliche Methode gelenkt, um alle anderen zu regelnden Rechtsgebiete deutlich und übersichtlich zu organisieren, und sie damit auch leicht zugänglich zu machen. Die deutsche Reform hat das neue deutsche Zivilrecht zum Thema von internationalen Diskussionen und zu einem möglichen Modell für ein europäisches Privatrecht gemacht, welches Inhalt von aufregenden Arbeiten ist, sowohl als Kodex“ als auch als Rechtstheorie. Nach Deutschland hat Frankreich einen Reformprozeß für die wichtigsten vermögensrechtlichen Institute gestartet, wobei ein stark positivistischer Geist bereits bestehende Bestimmungen und Rechtsinstitute umgibt, die früher eher an die Rechtsprechung gebunden waren. Darüber hinaus strebt die Reform eine organische und konsequente Rechtsordnung an, die sich systematisch innerhalb des Code Civil befestigt, dessen zentrale Position bezüglich innenstaatlichem Privatrechtssystem und Ansehen auf europäischen Ebene mindestens gleich, wenn nicht besser als jene des BGBs werden soll. Das Grundbedürfnis der französischen Reform war die Schaffung von neuer Ordnung, einfachen Regeln und Bestimmungen der Rechtsquellen in einer Zeit, in der zahlreiche innenstaatliche und gemeinschaftliche Gesetzesänderungen zwar die Rechtsordnung erneuert haben, jedoch oft auf fragmentarische und teilweise widersprüchliche Art gegenüber den Richtlinien älterer Kodifizierungen. Damit wird klar, dass diese Reformbewegung eines der Kernthemen für die wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit des französischen Systems nicht außer Acht lassen durfte: Die Kreditbesicherung.
2. Absichten und Grenzen der französischen Reform der dinglichen Sicherungen – Juli 2003:
Das Justizministerium nimmt die Initiative der Vereinigung Association Henri Capitant des amis de la culture juridique française“ an und bestellt eine Kommission für die Planung einer gegliederten Reform der Kreditbesicherung. Die Kommission, unter dem Vorsitz von Prof. M. Grimaldi (Université Panthéon-Assas, Paris II, Obmann des Vereins “Association Henri Capitant“) legte am 31. März 2005 sein Reformprojekt vor, bestehend aus 2 Hauptdokumenten: Ein Gesetzesentwurf und eine Begründung . Die Qualität des Kommissionsberichtes war so überzeugend, dass die Regierung einen sofortigen Start der Reform per Verordnung (ordonnance) beschloss. Das dafür notwendige Mandat an das Parlament wurde durch Art. 24 des Gesetztes 2005-842 vom 26. Juli 2005 erteilt (Loi pour la confiance et la modernisation de l’économie). Dennoch – gegenüber der vom Grimaldi-Projekt vorgesehenen weitgehenden Neuerung der dinglichen und persönlichen Haftung – erteil das parlamentarische Mandat nur Teilbefugnisse, denn es schließt grundsätzlich eine Novellierung der persönlichen Haftung aus. Nicht zuletzt aus diesem Grund beinhaltet eine neue Verordnung (ordonnance vom 23.03.2006, n. 2006-346 ) besonders innovative Bestimmungen bezüglich dinglicher Haftung. Man muss hier anmerken, dass auch im Zusammenhang mit der dinglichen Haftung die Reform nicht wirklich mit dem Grimaldi-Projekt konform zu sein scheint und etwas ungegliedert aussieht, dies vorwiegend aufgrund verschiedener, durch die parlamentarische Debatte entstandener Beschränkungen. Das Parlament hat zunächst der Regierung keine Genehmigung zur Gesetzgebung im Themenbereich der Privilegien erteilt, ein Rechtsbereich wofür die Grimaldi-Kommission wichtige Neuerungsvorschläge vorgelegt hatte. Darüber hinaus kommt fast keine der genehmigten Novellen in Bezug auf Vermögenshaftung vor: einerseits wurde – durch die Ernennung einer einschlägigen Kommission – dieser Rechtsbereich aus dem Wirkungskreis der Grimaldi-Kommission ausgenommen, andererseits bestimmt das Gesetzgebungsmandat an die Regierung, dass die Reform lediglich die bereits existierenden Regelungen über den Eigentumsvorbehalt in den Code Civil integrieren soll (législation à droit constant). Die Grimaldi-Kommission hatte aber dabei neue Bestimmungen und Regelung vorgesehen, sowohl in Bezug auf die Eigentumsübertragung als Garantieform, als auch in Bezug auf den Eigentumsvorbehalt. Diese Vorschläge wurden aber eben nicht angenommen. Trotz dieser Beschränkungen ist sofort ersichtlich, dass das französische System der dinglichen Haftung einer umwerfenden Modernisierung der bestehenden Regelungen entgegenschreitet, eine Reform die sicherlich als Leitfaden für viele andere Systeme dienen wird, die ihre Regelungen der dinglichen Haftung auf dem französischen Vorbild gründen.
3. Die traditionelle Struktur der dinglichen Haftung in Frankreich.
Um die Reichweite der französischen Reform besser zu verstehen, möchten wir die wesentlichen Merkmale der davor gültige Bestimmungen, die einerseits auf den Code Civil von 1804 zurückzuführen sind und andererseits auf einer Serie von fragmentarischen, im Lauf des 20.Jh eingeführten und gesonderten Gesetzten basierten und deshalb oft vom Code abweichen (auch weil sie oft durch Einfluss von verschiedenen Interessensvertretungen entstanden sind).
Das System stützt sich grundsätzlich auf folgende Grundprinzipien:
- Die Idee, dass die dingliche Haftung eine Ausnahme zur allgemeinen Vermögenshaftung darstellt.
- Die Tatsache, dass die dingliche Haftung dem Bestimmtheits-Prinzip unterliegt, was eine Privatautonomie der Verfügung wesentlich beschränkt
- Die Vielzahl der bereits bestehenden und vom Code geregelten Rechtsinstitute, die eine dingliche Kreditsicherung bezwecken und unter dem allgemeinen Begriff “ sûretés réelles traditionnelles“ (traditionelle dingliche Sicherheiten) erfaßt sind. Gemeinsame Elemente dieser traditionellen“ Rechtsinstitute sind: ein übertriebener Formalismus in der Errichtung, ihre Akzessorietät gegenüber der zu sichernden Forderung, ihre Bestimmtheit bezüglich der gesicherten Forderung und entsprechend verpfändetem Gutes, das Verbot der Verfallklausel für den Pfandvertrag. Insbesondere handelt es sich um gage“ oder nantissement“ (Faustpfand), wofür die Übergabe des Pfandsobjekts zwingend ist, und der hypothèque (siehe 2124 und 2119 Code Civil), welche – überhaupt nicht möglich für bewegliche Sachen – ausschließlich die unbeweglichen betrifft, keine Übergabe des Pfandgutes vorsieht und erst geltend gemacht werden kann wenn sie öffentlich bekannt“ wird (Publizitätsprinzip). Laut Code Civil (art. 2127) entsteht die hypotheque durch öffentliche, notarielle Beurkundung. Ihre Eintragung hat also keine konstituierende Wirkung (anders als in Italien), ist aber für eine Geltendmachung erforderlich (art. 2808 co. 2 c.c.). Im Immobilienbereich gilt aber auch die sogenannte antichrèse, die der Code Civil als nantissement eines unbeweglichen Gutes (Art. 2072) bezeichnet, d.h. es ist ein Faustpfand“ über Immobilien. Das französische Rechtssystem der dinglichen Haftung ist darüber hinaus bekannt für seine zahlreichen, fast unzähligen und fragmentarischen Privilegien (privilèges, allgemeine und gesonderte, auf bewegliche wie auch unbewegliche Sachen und Güter), d.h. Vorrechte, die das Recht einigen Gläubigern aufgrund des Forderungsanlasses gewährt. Obwohl fast überall die Forderungen der öffentlichen Finanzträger und der Arbeitsnehmer gesetzlich geschützt werden, ist in Frankreich die Zahl der geschützten Kategorien unübersichtlich. Das Wuchern von Privilegien ist sicher ein Zeichen politischer Unsicherheit und Schwankung (wie auch in Italien zu finden), welche die Gesetzgebung im Bereicht der Kreditsicherung beeinflusst hat: jede ausreichend einflussreiche Lobby hat auf das Parlament Druck ausüben können, um ein besonderes Privileg zu erhalten. Offensichtlich ist die Folge einer solchen Politik: aufgrund der unzähligen Arten und unklaren Rangordnungen ist es schwer, den Vorrang von außerordentlichen“ Gläubigern zu bestimmen, was eine Schwächung der ordentlichen“ Gläubiger verursacht und das Sicherheitssystem wenig attraktiv und effizient in den Augen des Marktes macht. Obwohl das System der sûretés réelles traditionnelles keine wesentliche, gegliederte Änderung erlebt hat, hat der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer Marktanpassung“ für seine Bestimmungen gespürt. Dass das System zum Teil ziemlich deplaciert ist, wird ersichtlich z.B. im Rechtsinstitut der gage, (Übergabe-Pfand“) welches nur für bewegliche materielle Güter nicht aber bei immateriellen anwendbar ist. Darüber hinaus machen seine Merkmale ihn nicht geeignet für Unternehmungen, welche auf ihre Güter und Sachen nicht verzichten können, und lieber auf ihre Lagerreserven oder Anlagen ein Pfandrecht errichten, ohne aber diese Güter wirklich übergeben“ zu müssen. Sondergesetzte wurden hier erforderlich, um immer neue und spezielle Arten von dinglichen Sicherungsrechten“ einzuführen, die keine Übergabe des verpfändeten Objekt benötigen, und über dessen Wesen“ sogar die Rechtsgelehrten uneinig sind. Diese bestrittenen“
Rechte betreffen vorwiegend die Verpfändung von beweglichen Sachen:
- gage commercial, (“Handelspfand”). Das Gesetz 23.05.1863 führte 3 neue Bestimmungen ins Handelsgesetzbuch ein (ex Art. 91-93 cod.com., nunmehr als Art. L521-1 – L521-3 cod.com. nouveau), wodurch eine neue Regelung der handelsrechtlichen Verpfändung organisiert wurde. Da dieses Rechtsinstitut aus einem Handelsgeschäft entsteht, kann man dabei auf die schriftliche Form verzichten, wenn beide Parteien Kaufleute (Unternehmer) sind (art. L110-3 c.com.). Die Errichtungsprozeduren sind zwar vereinfacht, unterliegen aber weiterhin der Kontrollinstanz eines Gerichtes.
- Gages spéciaux (warrants): Pfandrecht ohne Übergabe, zu Gunsten von Hotellerie, Landwirtschaft, Industrieunternehmer, etc. sie entstehen mit Schriftform, benötigen eine Eintragung für die Geltendmachung gegenüber Dritten.
- Nantissement de l’outillage et du matériel d’équipment, (ab 1951), Eingeführt, um eine Erneuerung von Anlagen und Betriebseinrichtung, entsteht durch Niederschrift und Eintragung beim Handelsgericht
- Gage automobile, entsteht durch Niederschrift und Eintragung, kann nur geltend gemacht werden wenn es auch bei der �Prefecture“ (Bezirksamt) eingetragen ist. Bezüglich Sicherungsrechten aus immateriellen Gütern sind erwähnenswert: – nantissement de fonds de commerce (Verpfändung von Handelsliegenschaften – Gesetz vom 17.03.1909, durch Gesetz 5.07.1996 auch auf gewerbliche Grundstücke ausgeweitet); nantissement de films cinématographiques (Verpf. auf Filme, Gesetz 22.02.1944); nantissement du droit d’exploitation des logiciels (Verpf. auf EDV-Entwicklungsrechte, Gesetz 10.05.1994). Im Kreditwesen, bzw. Bankbereich: nantissement de créances professionnelles (Verpf. von Berufsforderungen 2.01.1981, loi Dailly, geändert durch das Bankgesetz 24.01.1984); nantissement de parts sociales (4.01.1978); nantissement de valeurs mobilières (3.01.1983; abgeändert und ausgeweitet auf alle Finanzinstrumente auf einem bestimmten Konto – compte d’instruments financiers – durch Gesetz 2.07.1996, nunmehr geregelt durch Art. L431-4 – L431-6 Code monétaire et financier und Decret n. 97506 vom 21.05.1997);il nantissement de police d’assurance (Verpf. auf Versicherungspolizzen, Art. L132-10 Code des assurances).
Die Rechtssprechung hat ebenfalls die Gültigkeit des gage sur sommes d’argentbzw. gage-espèces, (Verpf. von Geldsummen) bestätigt; die Lehre erkennt einhellig für dieses Rechtsinstituts die Unmöglichkeit eines Verbots der Verfallsklausel an (analog zum italienischen pegno irregolare“), ohne allerdings über das Wesen des Instituts selbst einig zu sein. Neben Pfand und Hypothek, kennt das französische Recht ein cautionnement réel (Realabsicherung), eine Art Realbürgschaft“, welche sowohl als Pfand als auch als Hypothek errichtet werden kann und entsteht, wenn eine Bürgschaft durch eine dingliche Sicherheit verstärkt wird, oder wenn ein Dritter (nicht Schuldner) die dingliche Haftung gewährt. Ein von der Rechtslehre als Generalprinzip anerkanntes, allgemein (erga omnes) geltend gemachtes, gesetzlich geregeltes aber nicht als Realhaftung eingeordnetes Recht des Gläubigers ist das droit de rétention (Retentionsrecht), das dem Gläubiger erlaubt, die fremde Sache zur Sicherung bis zur gänzlichen Tilgung bzw. Befriedigung der Forderung zurückzubehalten. Über die so genannten sûretés traditionnelles hinaus findet in Frankreich ein Institut aus dem Römischen Recht wieder Anwendung: das Prinzip der propriété-sûreté findet man im Eigentumsvorbehalt“ (davor nur im Code de commerce geregelt), in der Abtretung von Handelsforderungen, im crédit bail und lease-back.
4. Kernidee und Hauptziel der Reform
Die obige Darstellung lässt leicht die Komplexität des Systems erkennen, charakterisiert von zahlreichen Unterschieden zwischen den Rechtsinstituten und von Bestimmungen, die in verschiedenen Gesetzestexten und -quellen verstreut zu suchen sind. Die Reform, die erste gegliederte und umfassende Neuerung seit der Einführung des Code Civil, beabsichtigt eine Vereinfachung und eine harmonische und gegliederte, leicht zugängliche Organisation der Materie. Dadurch will man auch eine Verbesserung der Effizienz der Instrumente zur Kreditabsicherung erreichen, ohne zur Gänze das römische“ Prinzip des Schutzes für den Schuldner außer Acht zu lassen. Der französische Stil“ wünscht sich einen Code Civil, welcher die Sozialordnung widerspiegelt: res publica, non res mercatoria. Bevor wir uns den Details der Reform widmen, soll in Erinnerung gebracht werden, dass sie unter 2 Blickwinkeln betrachtet werden sollen: die Erneuerung der Organisation (neue, übersichtliche Ordnung für eine komplexe Materie) und Einführung von neuen Instrumenten (für die Verpfändung von beweglichen und unbeweglichen Gütern), die das Absicherungssystem flexibler und effizienter machen.
5. Die neue Ordnung der französischen dinglichen Sicherungen
Auf dem vom Grimaldi-Plan vorgelegten Pfad wurde das neue Livre IV“ des Code Civil, über Des sûretés“ erarbeitet und durch Verordnung 2006-346 eingeführt (die Materie ist zur Zeit im Buch III – Über die verschiedenen Arten des Eigentumserwerbs“ geregelt). Die Verordnung sieht eine Unterteilung des Buches IV in 2 Titel vor: Des sûretés personnelles – persönliche Haftung (Titre I) und Des sûretés réelles – Dingliche Haftung (Titre 2). Der Titel 2 ist wiederum in 3 Unterkapitel unterteilt und jeweils den allgemeinen Bestimmungen, der Haftung durch bewegliche Sachen und der Haftung durch unbewegliche Güter gewidmet. Diese neue Strukturierung zeigt einen Bruch mit der traditionellen Struktur des Code Civil, welcher die Sicherheiten nach dem Kriterium der Übergabe“ des Pfandobjekts ordnete. Das Kapitel über die Verpfändung von beweglichen Sachen regelt, in jeweiligen Unterkapiteln, 4 Kategorien: die Privilegien (an beweglichen Sachen, allgemeine und Spezialprivilegien), gage (im Sinne von körperlichem Pfand), nantissement (Verpfändung von immateriellen Gütern), propriété-sûreté (in den 2 Varianten der fiducie, meistens Übertragung von Eigentum an einer Forderung als Garantie, und Eigentumsvorbehalt, vorwiegend bei beweglichen körperlichen Sachen angewendet). Das Kapitel über Verpfändung von unbeweglichen Sachen beschreibt und regelt 3 Kategorien: Privilegien an unbeweglichen Sachen, antichrèse und Hypothek. Eine propriété-sûreté für die unbeweglichen Güter ist nicht geregelt, da sie mit sehr hohen Abgaben verbunden wäre (Hin- und Rückübertragung von Eigentum), sie ist aber theoretisch vorhanden, das Gesetz überlässt“ dem Markt die Möglichkeit einer weiteren Entwicklung (Neufassung Art. 2373 Abs. 2). Soweit die Grundstruktur. Einige Punkte verdienen eine genauere Betrachtung. 1.Das Buch IV beginnt mit der Feststellung der allgemeinen Prinzipien, welche gemeinsame Nenner für alle Formen der Absicherung sind, dinglicher oder persönlicher Art. Darin bekräftigt die Verordnung die traditionelle Struktur der Vermögenshaftung auf der Basis der allgemeinen Haftung und der par condicio creditorum, außer bei bestehenden (gesetzlich) begründeten Vorrechten (Art. 2284 und 2285, in der alten Fassung Art. 2092 e 2093 Cod.Civ.). Ein Vorschlag des Grimaldi-Projekt findet allerdings nicht Niederschlag in der Verordnung, und zwar die Einführung von 2 Grundsätzen, wonach das verpfändete Gut eine Bereicherung bzw. Bereicherungsquelle für den Gläubiger sein kann (Art. 2287 Abs.. 2 avant-projet de texte) und es akzessorisch zur gesicherten Forderung ist, d.h. das Prinzip, dass die Sicherung der Forderung bei Forderungsübertragung folgt“ (art. 2289 dell’avant-projet de texte). 2.Der reformierte Code Civil ist ein roter Faden für die dingliche Haftung, die Bestimmungen bezüglich diverser Kategorien sollen weiterhin durch Spezialgesetzte geregelt werden, insbesondere im Handelsgesetzbuch (code de commerce) 3.Die neue Ordnung konnte die Verpfändung von beweglichen Sachen nicht in Detail behandeln. Die Reform folgt nicht dem nordamerikanischen Weg des einheitlichen Instituts (security interest, art. 9 U.C.C.), bei dem keine Übergabe jedoch eine Eintragung (zur allgemeine Geltendmachung) vorgesehen ist, sondern behält die Unterteilung in gage (ab jetzt ausschließlich) für die beweglichen körperliche Sachen und nantissement (ab jetzt ausschließlich) für die immateriellen Güter.
6. Neuerungen unter dem Motto der Flexibilität
Die französische Reform erkennt, dass der Erfolg eine Garantie ist, die größtenteils durch das Zusammenspiel zweier grundlegender Prinzipien beeinflusst wird: einfache Formalitäten und Flexibilität der Normen. Insbesondere soll die Flexibilität eine Befriedigung der Marktbedürfnisse in Bezug auf Kreditbesicherung erlauben, denn zu hohe Kosten und zu zeitvergeudende Prozeduren dienen nicht dem Schutz von Interessen und hemmen die Anwendung dieser Rechtsinstrumente, mit anderen Worten, sie bewirken im Endeffekt eine Flucht zu anderen Arten der Kreditabsicherung, wie die persönliche Haftung. In diese Richtung geht also die Reform, wodurch man sich in Frankreich von drei Grundsätzen trennt: die Notwendigkeit der Übergabe, die starre Interpretation des Akzessorietätsprinzips und die ebenfall starre Bestimmtheit der Kategorien. Betrachten wir nun im Detail die einzelnen Neuerungen in beiden Hauptkategorien, ohne zu vergessen, dass diese Innovationen allgemein den Trend in den meisten westlichen Ländern widerspiegeln. (A) Besicherung durch Verpfändung von beweglichen Sachen
7. Anerkennung des Pfandrechts ohne Pfandübergabe
Die Gesetzgeber entschieden sich bei dieser Reform für eine allgemeine Anerkennung des Pfandrechtes ohne notwendige Pfandübergabe. Wie bereits angeführt, war diese Übergabe die unentbehrliche Bedingung für das Rechtsinstitut der gage, sie konnte aber der Entwicklung von anderen Formen des Pfandrechtes nicht gerecht werden. Wenn wir ein übergabeloses Pfand annehmen, ist der Pfandvertrag kein Realvertrag mehr (in seiner Entstehung) sondern wird zu einem Konsensualvertrag (Art. 2333 Cod.Civ. Neufassung), wofür eine schriftliche Form“ notwendig ist, mit der Angabe der dadurch gesicherten Forderung(en) und der Art, Gattung und Menge der Güter, die als Pfand dienen“ (Art. 2336 Cod.Civ. Neufassung). Daher bleibt als einzige Anforderung und Voraussetzung für das rechtswirksame Entstehen das Pfandrechtsverhältnis, während eine Übergabe des Pfandes oder eine Eintragung lediglich zur Geltendmachung gegenüber Dritten erforderlich sein wird. Die diesbezügliche Eintragung (Publizität) wird dann die Person, d.h. den Pfandbesteller betreffen (Art. 2337 Abs. 1 Cod.Civ.), denn es ist keine Publizität bezüglich nicht eintragungspflichtiger beweglicher Güter möglich. Die Reform schlichtet die Streitigkeiten zwischen pfandlosem“ Pfandgläubiger und Dritten im neuen Art. 2337 Abs.3 Cod.Civ.: Nach erfolgter Eintragung der gage, kann man nicht mehr das Prinzip Pfandbesitz gleicht Titel“ anwenden. Streitfragen unter mehreren Pfandgläubigern werden durch die zeitliche Reihenfolge der Eintragung gelöst (Art. 2340 Abs.1 Cod.Civ.); bei Konflikten zwischen einem pfandlosen“ Pfandgläubiger und einem Gläubiger im Besitz des gleichen Pfandes kann der Erste sein (eingetragenes) Recht gegenüber dem Zweiten geltend machen, trotz seines Zurückbehaltungsrechtes (Art. 2340 Abs 3). Die Reform berührt auch das Objekt der gage. In der starren traditionellen Auffassung der dinglichen Haftung hielt man sich an die Bestimmtheit des Pfandobjekts wie auch an der der Forderung fest. Die Reform verabschiedet sich nicht endgültig davon, d.h. verlangt weiterhin eine eindeutige Bezeichnung des Pfandobjekts und der damit gesicherten Forderung, zum Schutz der Interessen von Schuldnern und von Dritten. Dennoch führt die Reform die Anerkennung und Anwendung von künftigen Gütern“ als Absicherung von ebenfalls künftigen Forderungen ein (wie in anderen Rechtsordnungen bereits möglich). Der positivistische Charakter des französischen Rechts erlaubt nämlich nicht die Anwendung von künftigen (noch nicht existenten) Gütern als Absicherung von aktuellen Forderungen – aus der Tradition der Pfandübergabe“ für gage und nantissement. Der neue Art. 2333 Abs. 1 bestimmt, dass ein gage auf bewegliche körperliche, existente oder künftige Güter bestellt werden kann, soweit diese bestimmbar sind. Dies ermöglicht auch die Bestellung von Pfandrechten auf erneuerbare Stocks“ oder Lagerbestände bestimmter Waren (Gattungsschuld). Art. 2342 bestimmt weiters: « le constituant peut les aliéner si la convention le prévoit à charge de les remplacer par la même quantité de choses équivalentes» (Der Besteller kann die Pfandgüter veräußern, wenn es bedungen wurde, dass er sie durch eine gleiche Menge an gleichwertigen Güter ersetzt“. Neu bestimmt die Reform das Institut des gage-espèces, welches davor nur durch Interpretation geregelt“ wurde: (Art. 2341) Besteht das Pfandobjekt in Nutzsachen (vertretbaren Sachen) muss der Gläubiger sie getrennt von seinen gleichartigen aufbewahren. Ist er von dieser Verpflichtung befreit, dann wird er Besitzer der Sachen und bei Pfandrückgabe soll er eine gleiche Menge und gleiche Qualität dem Pfandbesteller zurückgeben.
8. Gage des stocks – Verpfändung von Lagerbestände
Durch Art. 44 der Verordnung n. 2006-346 wurde der Titel II (Des garanties) Buch V (Des effets de commerce et des garanties) im Code de commerce, durch das neue Kapitel VII über gage des stock (Pfandrecht auf erneuerbaren Güter) ergänzt (Artt.L527-1-L527-11). Durchaus eine Neuigkeit. Das Grimaldi-Projekt beabsichtigte – durch die Einführung von Pfandrecht (ohne Übergabe) auf bewegliche körperliche, aktuelle oder künftige Güter – den Weg für eine französische Version des Enterprise Mortgage“ zu ebnen. Das Thema wurde von der Reformkommission nicht weiter verfolgt, außer was den gage des stock betrifft. Bezüglich des Anwendungsbereichs der neuen Garantie bestimmt Art. L527-1 Abs. 1 Code Commercial, dass Kredite, die durch Kreditinstitute an (privatrechtliche) juristische Personen oder an natürliche Personen für ihre berufliche Tätigkeit gewährt werden durch Verpfändung (ohne Übergabe) von Lagerbeständen des Pfandbestellers abgesichert werden können“ Vorsichtsmaßnahmen sind bei der Bestellung und der Verwertung des Pfandes, wie auch bezüglich der Verpflichtungen der Parteien vorgesehen, um jedes Risiko zu vermeiden (Beeinträchtigung des Vermögens des Schuldners, Gleichgewicht der Verhältnisse unter den Gläubigern desselben Schuldners) Aus diesem Grund erfolgt die Bestellung schriftlich und muss – bei sonstiger Nichtigkeit – folgendes beinhalten: die Bezeichnung “acte de gage des stocks”, Angaben der Parteien, Nennung der bestimmenden Norm (Code de Commerce), Name der Versicherung, bei der die Güter gegen Feuer und Minderung versichert sind, Angaben zur Bestimmung der gesicherten Forderung, eine Beschreibung der Pfandgüter (Art, Menge, Qualität, Wert, Ort der Lagerung), Dauer des Pfandrechtsverhältnisses (art. L527-1, Abs. 2). Das konstituierende Schriftstück kann den Name eines Aufbewahrers enthalten (art. L527-1 Abs. 4). Man kann ein gage des stocks auf Lagerbestände von Rohstoffen, Zwischenprodukten, Restprodukten und Endprodukten, wie auch auf Handelslager des Schuldners (zum Wert der letzten Inventur) bestellen. Ausgeschlossen sind Güter unter Eigentumsvorbehalt. (art. L527-3). Rechtswirkung erlangt das gage des stocks erst durch seine Eintragung im eigenen Register, beim Gericht am Firmen- oder Wohnsitz des Schuldners. Die Eintragung muss innerhalb von 15 Tagen ab Unterfertigung des Pfandvertrages erfolgen, bei sonstiger Nichtigkeit der Absicherung, und bestimmt den Grad der Absicherung. Der Gläubiger durch gage des stocks hat Vorrang gegenüber allgemeinen Pfandgläubigern und auch natürlich gegenüber nachrangigen bzw. ungesicherten Gläubigern. Dieser Vorrang der Kreditsicherung gehen (i.S.d. Art. L527-5, Abs. 2) von den veräußerten verpfändeten Gütern auf jene über, die sie ersetzen. Im Interesse des Gläubigers, muß der Schuldner eine Bestandaufnahme der verpfändeten Güter und der sie betreffenden Informationen erstellen; darüber hinaus verpflichtet er sich die Güter (ihren Wert) nicht zu mindern. Sollte durch eine spätere Inventur eine Wertminderung von mindestens 20% festgestellt werden, kann der Gläubiger vom Schuldner die Wiederinstandsetzung des Wertes (der Güter) bzw. eine Teilrückzahlung der Forderung im Wert der Minderung verlangen. Kommt der Schuldner diesen Aufforderungen nicht nach, kann von ihm eine sofortige Tilgung der Schuld verlangt werden (Fristlose Kündigung des Pfandvertrages, gemäß Art. L527-7). Das Prinzip der Beibehaltung des Verhältnisses Forderung/Kreditsicherung (im Grimaldi-Projekt als allgemeiner Prinzip zur Vermeidung einer unrechtmäßigen Bereicherung enthalten, siehe auch Punkt 5 des Referates) wird durch die Möglichkeit einer Anpassungsklausel“ gegeben, wodurch bei Teilrückzahlung der Forderung, auch die Kreditbesicherung an diesen Wert angepaßt werden muß (Art. L527-8). Bei Nichterfüllung hat der Gläubiger, gemäß Art. 2346 und 2347 Cod.Civ., Anspruch auf eine Verwertung der gage, entweder durch Antrag auf Zwangsversteigerung beim Gericht, oder durch Herausgabe der Güter (Art. L527-10). Art. L527-2 bezeichnet jene Klausel als nicht geschrieben“, wodurch der Gläubiger – bei Nichterfüllung der Forderung bis zur Frist – automatisch zu Eigentümer der verpfändeten Güter wird. Damit hat der Gesetzgeber das Verbot einer Verfallsklausel beibehalten, wo er sonst sie zu vermeiden versucht.
9. Dingliche Haftung durch immaterielle Güter
m eigenen Kapitel wird der nantissement nun mehr als Verpfändung einer (oder mehrerer) beweglichen, aktuellen oder künftigen immateriellen Sache zur Kreditbesicherung definiert (Art. 2355 Abs.1 Cod.Civ); seine Geltendmachung ist nicht an einer Eintragung gebunden. Der Grimaldi-Projekt hatte für diese Form der Kreditbesicherung eine innovativeren und besser gegliederten Lösung vorgeschlagen: Eine Unterteilung in Kreditbesicherung durch Forderungen (nantissement de créances), durch Buchgeld (nantissement de monnaie scripturale) und durch Finanzinstrumente (nantissement d’instruments financiers). Dagegen beschränkt sich die Reformverordnung, auf die Bestimmungen der Spezialgesetze über die Materie hinzuweisen, insbesondere die Normen des dal code monétaire et financier (Gesetzbuch über Finanz- und Zahlungsmitteln). Darüber hinaus bestimmten Art. 2075 Cod.Civ., die zur Rechtswirksamkeit erforderliche Zustellung (signification) des (schriftlichen) Pfandvertrages über Forderungen an den Schuldner der verpfändeten Forderung, und Art. 2081 Cod.Civ. die Zuteilung der Zinsen aus einer verpfändeten Forderung. Die durch die Reformkommission bzw. -verordnung gebotenen Lösungen basieren vorwiegend auf Rechtssprechung und Gebräuche, wobei eine Vereinfachung der Schritte zur Garantiebestellung vorgesehen ist. Die (ausführlich detaillierte) schriftliche Form bleibt erforderlich, muß jedoch nicht notariell beglaubigt oder eingetragen werden, die wechselseitigen Verpflichtungen sind ab Unterzeichnung rechtswirksam und können gegen Dritten (außer gegen den Schuldner der verpfändeten Forderung) geltend gemacht werden (Artt. 2356 Abs 1 und 2361 Cod.Civ.). Abgeschafft wurden die Übergabe der Titel über die verpfändeten Forderung (etwas, was in der Praxis auch kaum durchgeführt wurde) und die Notwendigkeit der Zustellung an denselben für die Rechtswirksamkeit (die Zustellung wirkt nur als Bekanntmachung, zur Geltendmachung eventueller Ansprüche). Dadurch darf der Pfandbesteller eine Tilgung seiner verpfändeten Forderung nicht erhalten, während der Schuldner derselben Forderung schuldbefreiend in die Hände des Pfandgläubigers zahlen kann. (Art. 2362 Cod.Civ.). Vor der Reform war für eine ähnliche befreiende Zahlung die Ausstellung eines Inkassomandats erforderlich. Neuerung der Reform ist auch die Möglichkeit, künftige Forderungen zu verpfänden, davor nicht durchführbar, weil eine Übergabe des begründenden Titels erforderlich war. Als Beispiel einer künftigen Forderung kann die (versprochene) Zahlung des Preises bei einer noch nicht erfolgten Veräußerung, oder der künftige Umsatz eines Unternehmens. Diese Kreditbesicherung kann ab Unterfertigung geltend gemacht werden, auch wenn der Pfandgläubiger erst ab Entstehen der Forderung seine Rechte in Anspruch nehmen kann (Art. 2357 Cod.Civ.). Die Reform vereinfacht ebenfalls die Prozeduren einer Verwertung der Kreditbesicherung: Art. 2363 Abs.1 Cod.Civ. besagt, daß bei erfolgten Bekanntmachung [siehe oben] ist eine befreiende (Rück)Zahlung der verpfändeten Forderung und der daraus erwachsenen Zinsen nur in die Hände des Pfandgläubigers möglich“
(B) Besicherung durch Verpfändung von unbeweglichen Sachen
10. Abschwächung der Bestimmtheit der verpfändeten Forderung bei konventioneller Hypothek
Die wesentlichen Erneurungen betreffen die klassische Hypothek. Die französische Rechtssprechung hat die Bestellung einer Hypothek als Kreditbesicherung für künftigen Forderungen immer für möglich gehalten, solange sie mit ausreichender Genauigkeit (Wert) bestimmt werden kann und der Vertrag unter den gleichen Rechtspersonen entsteht (z.B. Bank und ihr Kunde). Die neue Norm bestätigt ausdrücklich diese Auffassung durch die Bestimmungen im Art.2451 Cod.Civ. (eine Hypothek kann aktuelle oder künftige bestimmbare Forderungen, dessen Entstehungsgrund im Vertrag angeführt werden soll) und Art. 2423 (die Hypothek wird zu einem bestimmten Wert bestellt, der bei sonstigen Nichtigkeit der Besicherung im Vertrag angeführt werden muß). Die Reform erlaubt aber nicht eine Hypothek, die alle künftige Forderungen garantiert, die zwischen Pfandbesteller und Pfandgläubiger entstehen mögen. Ist eine Hypothek als Besicherung von künftigen Forderungen auf unbestimmten Zeit bestellt, kann sie einseitig vom Pfandbesteller gekündigt“ (résiliation) werden, bei Behaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist. Ab dieser Kündigung gilt die Besicherung nur für die davor entstandenen Forderungen (Art. 2423 Abs.3). Die neue Norm regelt endlich auch die – besonders den Notaren bekannt und von ihnen angewendeten – Praxis der Schuld- und Klagloshaltung“ (purge amiable, oder auch mainlevée, Art. 2475). Hypothekargläubiger und Schuldner vereinbaren daß, bei gegebener Gelegenheit einer Veräußerung der durch Hypotheken belasteten Immobilien, ihre Forderungen vom Verkaufspreis befriedigt werden. Um die Interessen aller Hypothekargläubiger zu schützen, ist der einem Notar (als Treuhänder) bezahlten Verkaufspreis für den Verkäufer nicht verfügbar, so lange die Gläubiger nicht befriedigt werden und die Kosten für die Streichung des Pfandes nicht bezahlt sind. Sobald die Gläubiger befriedigt werden, wird die Immobilie von der Belastung befreit (keine Rechtsfolge).
11. Beschränkung des Akzessorietätsprinzips:
hypothèque rechargeable Die Einführung der hypothèque rechargeable stellt zweifelsohne die größte Neuerung der Grimaldi-Reform dar. Diese Art von Hypothek kann mehrmals durch seinen Besteller benutzt“ werden, zur Besicherung von immer neuen Verpflichtungen gegenüber dem gleichen oder auch anderen Gläubigern. Der Vorteil liegt auf der Hand: bei Bestellung neuer Kreditsicherung ist keine Streichung der Hypothek bzw. eine erneute Eintragung erforderlich. Der durch diese Hypothek geschützte Gläubiger genießt den Rang der ersten Eintragung, daher hat er Vorrang über alle andere Gläubiger, die zwischen Eintragung und ersten Umschuldung“ der hypothèque rechargeable vermerkt wurden. Die Bestimmungen des Art. 2422 Abs.1 Cod.Civ. besagt aber, daß nur jene Hypotheken, die diese Besonderheit in ihrem Gründungsvertrag beinhalten, dürfen als rechargeable gelten. Diese Klausel gilt nur wenn notariell Beglaubigt und in den Immobilienregister eingetragen. Im seinem 2. Absatz bestimmt der Artikel 2422 , dass sie durch ihren Besteller gemäß den Bestimmungen des Art. 2423, im Einklang mit den im Vertragsbedingungen als Kreditbesicherung einem neuen aber auch einem noch nicht befriedigten Gläubigern geboten werden kann“. Zwei sind also die Möglichkeiten:
- wenn dieselbe Hypothek als Kreditbesicherung eines neuen Gläubigers angewendet werden kann, ist es offensichtlich, daß sie ihrer Löschung“ durch Tilgung der offenen Forderung übersteht. Dadurch ist die bis heute in Frankreich und Italien sehr starre Auffassung des Akzessorietätsprinzips (zwischen Besicherung und besicherte Forderung) gebrochen.
- wird die Hypothek (wie im 2422 Abs.2 vorgesehen) erneut angewendet, bevor die Ur-Forderung“ befriedigt wird, dann entsteht eine Konkurrenz zwischen Ur-Gläubiger und dem neuen. Dieser Interessenskonflikt wird durch Abs. 4 und 5 des Art. 2422 geregelt: die erneute Belastung muß Eingetragen werden (Anmerkung im Immobilien-register), damit wird die Rangordnung der Gläubiger geklärt.
Die hypothèque rechargeable ist der Schmuckstück der Reform: eine Innovation, welche Effizienz und Ersparnisse finanzieller und zeitlicher Natur erlaubt und sich einen Weg durch die starren Auffassungen und Dogmatismen der lateinischen“ Rechtslehre Frankreichs eröffnet hat. Ganz neu ist aber das Institut nicht: Eigentümergrundschuld und Fremdgrundschuld sind wohl und längst dem BGB bekannt. Die Ähnlichkeit liegt auf der Hand, mit dem Unterschied, daß die französische Variante immer – als Grundbedingung – die Existenz einer Forderung verlangt.
12. Prêt viager hypothécaire – Hypothekbesicherte Rente
Die Verordnung (Art. 41) führt unter dem Titel I des Buch III im Code de la consommation (Konsumentengesetzbuch) einen eigenen Kapitel IV “Prêt viager hypothécaire” ein (Artt.L314-1 – L314-20 Cod.Cons.). Darin wird den Vertrag beschrieben, womit ein Kredit- oder Finanzinstitut einer natürlichen Person einen Darlehen / Kredit gewährt (durch Teilauszahlung), besichert durch eine Hypothek auf die Wohnung des Kreditnehmers (Eigentum). Die Rückzahlung des Kredits (samt Zinsen) wird erst beim Ableben des Kreditnehmers fällig, bzw. vor seinem Tod bei eventuellen Veräußerung oder Bestellung einer dinglichen Haftung auf der Immobilien (Art. L314-1 Abs.1 Cod.Cons.). Klarer Zweck dieses neuen Rechtsinstituts ist die Mobilisierung des in Frankreich (wie auch in anderen europäischen Ländern) in Immobilien blockierten“ Privatvermögens. Dadurch wird das Vermögen liquid gemacht und zum Unterhalt des alternden Kreditnehmers angewendet – eine Lösung, die psychologischen und steuerlichen Vorteile gegenüber einer Veräußerung (auch bei eventuellen Beibehaltung des Wohnrechtes) mit sich bringt. Das Rechtsinstitut folgt dem amerikanischen und britischen Modell von lifetime mortgage, reverse mortgage und equity release products. Im Grimaldi-Projekt wurde eine sogenannte hypothèque inversée ventiliert, die zahlreichen Einwendungen der Kommission hatte diese Idee aber vom avant-projet de texte verschwinden lassen. Offensichtlich hat der Gesetzgeber neue Überlegungen an den Tag gelegt. Grundlegende Bedingung ist, bei sonstiger Nichtigkeit, dass das gewährte Kredit lediglich der Befriedigung von Privatbedürfnisse dient (Art. L314-2 Cod.Cons.) Gesondert wird die Publizität für die Hypothekbesicherte Rente geregelt: Art. L314-3 sieht eine faire und informative Publizität“ vor, die die Eckdaten des Kreditgebers, die Natur des Rechtsgeschäftes, die Gesamtkosten und die tatsächlich Gesamtzinsen (in 5jährigen Perioden berechnet) aufweist. Darüber hinaus ist der direkten Hausverkauf für diesen Finanzprodukt ausgeschlossen. Erforderlich für den Vertragsabschluß sind ein Anbot (dessen Inhalten gesetzlich und taxativ bestimmt werden) und eine definierte Vertragsdauer (Art. L314-5). Die Veröffentlichung des Anbotes verpflichtet den Anbieter, die angegebenen Konditionen für mindestens 30 Tage gleich zu halten, die Anbotannahme darf nicht früher als 10 Tage ab Kenntnis, außer sie erfolgt in notariellen Form. Vor der Anbotannahme darf keine Auszahlung erfolgen (Art. L314-7) Der Kreditnehmer ist dabei verpflichtet, die verpfändete Immobilien mit väterlichen Sorgfalt“ zu erhalten; verursacht er eine Wertminderung oder ändert er den Nutzungszweck des verpfändeten Gutes, oder verweigert er dem Kreditgeber den Zutritt (Lokalaugenschein), verliert er seine Ansprüche (Art. L314-8). Zum Schutz der Erben bestimmt Art. L314-9 einen Maximalwert für den Kredit, welcher das Wert der zu verpfändenden Immobilien zum Vertragsende nicht übersteigen darf. Der Kreditnehmer hat das Recht, jederzeit vorzeitig den Kreditvertrag zu kündigen, wobei er in diesem Fall die erhaltenen Summen samt Zinsen zurückbezahlen muß. Wurde der Kredit nicht einmalig sondern in Teilbeträgen gewährt, kann der Kreditnehmer auch einen Teilbetrag zurückzahlen, nicht aber unter einem vom Conseil d’Etat festgesetzten Wert. Bei vorzeitigen Auflösung des Vertrages hat der Kreditgeber Anspruch auf eine Pauschalentschädigung, wessen Maximalwert ebenfalls vom Conseil d’Etat fest zu legen ist. Der Vertrag endet mit dem Tod des Kreditnehmers oder mit der Veräußerung der verpfändeten Immobilie (bzw. bei ihrer Belastung mit dinglichen Rechten). Beim Tod des Kreditnehmers (bzw. der letzten noch lebenden Kreditnehmer) geht die Rückzahlung des Kredites zu Lasten der Erben, bis zu einem maximalen, dem Immobilienwert bei Eröffnung der Verlassenschaft nicht übersteigenden Betrag (Art. L314-13 Abs. 1). Der Hypothekgläubiger hat wahlweise Anspruch auf Zwangsverwertung bzw. -ver-steigerung (gemäß den diesbezüglichen geltenden Bestimmungen) oder auf Eigentums-übertragung des verpfändeten Gutes durch richterlichen Beschluss bzw. aufgrund einer Verfallklausel. Bei Veräußerung des verpfändeten Gutes (oder seiner Belastung mit dinglichen Rechten) vor Kreditablauf bzw. seitens der Erben, muß der Kreditgeber (Gläubiger) vom Verkaufsangebot in Kenntnis gesetzt werden, damit er den verpfändete Wert geltend machen kann. In diesem Fall wird durch einen – vernehmlich bestellten – Sachverständiger eine Wertschätzung durchgeführt. Liegt der geschätzte Wert unter dem Kreditwert, wird der Kreditgeber/Hypothekengläubiger mit dem (auch durch Zwangsversteigerung) erzielten Verkaufspreis befriedigt, oder mit Eigentumsübertragung ohne Zuzahlung.
13. Rechtswirkung der dinglichen Haftung durch Abschaffung des Verbots für die Verfallklausel
Aus Erfahrung und Rechtsvergleich weiß man, dass zur Steigerung der Effizienz und wirtschaftlichen Wirkung, die Norme bezüglich dinglicher Haftung sollen in Maximum der Sicherheit für den Pfandgläubiger erzielen, ohne dabei die Position des Pfandbesteller zu gefährden. Zu diesem Zweck hat die Reform eine Abschaffung des Verbotes für die Verfallklausel bezüglich dinglichen Haftung sowohl durch beweglichen als auch unbeweglichen Güter. Für die traditionelle französische Rechtsordnung spiel die Verfallklausel eine zentrale Rolle, wie auch aus den Bestimmungen von Art. 2078 Cod.Civ. und Art. L521-3 Abs. 4 Cod.Comm. (Pfand), Art. 2088 (antichrèse) und Art. 742 der alten Zivilprozessordnung (Hypothek) zu entnehmen. Allgemein wird das Verbot als Schutz für den Schuldner/Pfandbesteller, den schwächeren unter den Vertragsparteien gesehen. Trotz einheitlicher Auffassung der positivistischen Lehre weisen die verschiedenen Rechtssysteme zahlreiche Unterschiede in der Praxis aus. So z.B. bleibt das Verbot in Deutschland ungeachtet auch von der Rechtssprechung; in Gegenteil ist gerade die Eigentumsübertragung an den Gläubiger einer der meist angewendete Form der Kreditbesicherung durch bewegliche Sachen. Dagegen ist der Art. 2744 CC wesentlich für die Besicherung in Italien, obwohl von keiner wirkliche Entwicklung der dinglichen Haftung begleitet wurde. Der große Einfluss der Rechtslehre hat in Italien dazu geführt, dass die proprietà-garanzia“ gar am Rande der Gesetzlichkeit verbannt wurde, und dabei auch im Ausland akzeptierte und verbreitete Rechtsinstitute wie sale and lease-back oder trust sehr gefährdet hat. In der Mitte zwischen den 2 Auffassungen stell sich das französische Recht. Das Verbot der Verfallklausel, wenn auch als grundlegenden Rechtsprinzip anerkannt, wurde nie so oft bzw. weit angewendet wie in Italien. Die Beschränkungen dafür liegen in der relativen (und nicht absoluten) Nichtigkeit und in der Ungültigkeit des Verbotes für jene Abmachungen, die erst nach der Pfandbestellung erfolgten. Das Verbot soll den Schuldner/Pfandbesteller gegen den Verlust von Eigentum eines Gutes, dessen Wert jenen der Forderung weit übersteigt. Dies ist aber nicht der Fall bei gage-espèces, wo die automatische Kompensation jeden Risiko vermeidet. Die Reform zeigt ihre Reife gerade in der Erarbeitung der erforderlichen Bedingungen für die Wirksamkeit des Verbotes der Verfallsklausel. Sie werden erstmalig ausdrücklich angegeben: Art. 2287 Abs. 2 verbietet eine unrechtmäßige (also ohne Titel) Bereicherung des Gläubigers. Und die ungerechte“ Bereicherung ist die wahre Begründung des Verbotes. Deshalb erlaubt die Reform ausdrücklich eine Verfallklausel, wenn die Merkmale des Rechtsgeschäfts an sich eine übermäßige oder ungerechte Bereicherung in Bezug auf Pfandbestellung/Verwertung vermeiden. Art. 2348 z.B. besagt: Es kann vereinbart werden, dass der Gläubiger Eigentum an Pfandobjekt erlangt, wenn dessen Wert zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung sachgemäß festgestellt werden kann (Sachverständiger, Marktpreis). Übersteigt der festgestellte Wert den Wert der Forderung, muß der Gläubiger die Differenz dem Schuldner zahlen oder sie an eventuellen weitere Gläubiger weiter geben“. Eine Verfallsklausel ist hier ab initio“ gültig, weil eine (unsachgemäße) Bereicherung gemieden wird. Weil die Reform eine Verfallklausel (bei beweglichen körperlichen Güter) akzeptiert, ist ebenfalls vorgesehen, dass bei Nichterfüllung des Schuldners (bzw. des Pfandgebers) kann der Gläubiger sich vom Richter oder aufgrund des Bedungenen den Eigentum an der Sache und sein Zubehör zusprechen lassen (Art. 2365). Hat der Pfandgläubiger mehr erhalten als es bedungen wurde, muß er den Differenzbetrag an den Pfandbesteller zahlen“ (Art. 2366) Ähnliche Motivationen führen zu einer Vereinfachung der Prozeduren zur Bestellung einer Hypothekbesicherung. Die Reform ermöglicht einerseits dem Gläubiger den Anspruch auf richterlichen Eigentumszuspruch (Art. 2458), andererseits, dass die Parteien im Pfandvertrag eine Verfallklausel vereinbaren (Art. 2459). Analoge Bestimmungen gelten für die antichrese (Art.2388 Abs.2). Beschränkt ist die Anwendung der Verfallklausel im Bereich von unbeweglichen Sachen. Art. 2458 und 2459 schließen die Eigentumsübertragung zu Gunsten des Pfandgläubigers, wenn die verpfändete Immobilie der Hauptwohnsitz des Pfandbesteller ist. Darüber hinaus wurde den voie parée (Art. 742 alte franz.ZPO) nicht abgeschafft, wodurch die Verwertung /Vollstreckung unterliegt immer der Gerichtsbarkeit. Eine weitere Beschränkung für die Verfallsklausel besteht im Art. 53 der Verordnung (Änderung des Art. L311-32 code de la consommation), welche bezeichnet als “nicht niedergeschrieben” (ungültig) die Verfallsklausel in einem Konsumenten-kreditvertrag.
14. Die französische Reform und die gesetzliche Harmonisierung der dinglichen Haftung
Die größte Herausforderung für die modernen Rechtsysteme ist die Fähigkeit, den wachsenden Wettbewerbsbedingungen auf dem globalen Markt gerecht zu werden, indem sie Normen erarbeiten, die feste und sichere Wurzel aufweisen und zugleich den grenzüberschreitenden Bedürfnissen entsprechen. In dieser Richtung gehen die Bemühungen einer Harmonisierung der Prinzipien seitens internationalen Organisationen wie International Institute for the Unification of Private Law (UNIDROIT), Organization of American States (OAS), European Bank of Reconstruction and Development (EBRD), ohne die EU zu vergessen. Die grundlegenden Ziele sind eine möglichst weite Mobilisierung des Vermögens des Pfandbestellers und die Vereinfachung der Prozeduren wie auch die Erfolgsgarantie in der Befriedigung der Gläubigers Forderungen. Die französische Reform ist unserer Erachtens ein durchdachter und ausgeglichener Schritt in dieser Richtung. Die Abschwächung des Bestimmtheitscharakters ermöglicht eine Ausweitung der möglichen verpfändbaren Vermögenswerte. Ebenfalls ermöglicht die Lockerung des Akzessorietätsprinzips auch die Verpfändung von künftigen (bestimmbaren) Forderungen und einer Kostenbegrenzung der Prozeduren (siehe hypothèque rechargeable). Die mögliche kontrollierte Anwendung der Verfallsklausel ist vereinbar mit der Modernisierung und auch mit Sozialverträglichkeit (große Sorge der französischen Rechtsauffassung). Summa summarum ist diese Reform sicher keine Revolution: die Beibehaltung der Akzessorietät z.B. verbietet weiterhin die getrennte Übertragung von Forderung und Besicherung. Dennoch stellt die französische Lösung eine Modernisierung: der Tradition gerecht bleiben z.B. Rechtsinstitute wie gage und nantissement erhalten, sie werden aber raffinierter und jedoch einfacher. Bei einer Materie, die so eng an die lokalen Gegebenheiten und Gebräuche gebunden ist, stoßen oft tiefgehenden Umstrukturierungen auf Ablehnung und finden dann selten Anwendung in der Praxis. Die Grimaldi-Kommission, der dieser Reform grundsätzlich zu verdanken ist, hat alle diese Überlegungen in seine Arbeit fließen lassen und konnte dadurch einen brauchbaren Kompromiss zwischen Tradition und Moderne. Aus diesem Grund wird sicherlich diese Reform Zustimmung und Anwendung in der rechtlichen Praxis finden.
Beide unter: http://www.henricapitant.org/article.php3?id_article=37 abrufbar. Ein erster Kommentar siehe auch Rapport “Grimaldi”: pour une réforme globale des sûretés, in Dr. & Patrim., 2005, n. 140, p. 49 ss. Man kann beide Dokumente (Ordonnance 24 mars 2006, nr. 2006-346 und Rapport au Président de la République relatif à l’ordonnance n. 2006-346 du 23 mars 2006 relative aux sûreté) als PDF auf der URL http://www.henricapitant.org/article.php3?id_article=37 herunterladen. Die Verordnung ist in 5 Kapitel unterteilt: Über das Buch IV Code Civil; Änderungsbestimmungen für code de la consommation; Änderungsbestimmungen für code de commerce; andere, provisorische und Schlussbestimmungen