XXXII. TAGUNG des Notariatskomitees Bozen (Italien),
28. – 29. September 2007
Die Praxis der Immobiliarübertragungen in Italien“
Dott.a Elena Corso, Notar in Cembra (Trento)
1. Eigentumsübertragung an Immobilien:
italienisches, deutsches und österreichisches Rechtssystem im Vergleich Bevor der gegenständliche Musterfall analysiert wird, möchte ich in Kürze die 3 Rechtssysteme der Eigentumsübertragung an Immobilien vergleichen, wobei nicht zu vergessen ist, dass in Italien sowohl das Grundbuchsystem als auch das Immobilienregister co-existent sind1. Der französische Code Civil, Grundlage für den späteren Codice Civile des 1865, besagt, dass Eigentum durch Konsens übertragen wird. Die französischen Juristen sahen die Übertragungswirkung im Titel (Vertrag = Konsens), und in der Handlung“ die reine Verwirklichung (Konkretisierung) einer bereits erfolgten Übertragung von dinglichem Recht. Das deutsche System hält den Konsens (d.h. die Vereinbarung zu Kauf/Verkauf) alleine nicht für wirksam zur Übertragung des Eigentums
2. Der Vertrag gewährt nämlich dem Käufer lediglich das Recht auf die Sache, nicht aber an der Sache. Dafür muss eine Handlung folgen, d.h. die reelle Übergabe bei beweglichen Sachen bzw. die entsprechende Eintragung im amtlichen Register für die unbeweglichen Sachen. Diese Unterschiede wurden noch deutlicher, als in Frankreich der Titel und in Deutschland der Modus (nach der Lehre Savigny’s und der Pandekten) mehr Bedeutung und Kraft erlangten. Das italienische (außer in den Grundbuchgemeinden“) und das französische System basieren also auf einem Kausaltitel (der Vertrag) während das deutsche System noch die Dualität aufweist zwischen schuldrechtlichem Rechtsgeschäft (Vertrag) und Rechtsgeschäft nach dem Abstraktionsprinzip, wonach das Objekt die (tatsächliche) Übertragung am Eigentum ist, unabhängig von der Existenz eines schuldrechtlichen Titels. Wenn das Rechtsgeschäft eine Registrierung (z.B. Eintragung in das Grundbuch) erfordert, dann braucht man eine diesbezügliche Genehmigung“ des Rechtsträgers: die Auflassung. Diese Rechtsauffassung ist sehr weit entfernt von der italienischen oder französischen Idee, denn sie sieht in der Kausalität des Rechtsgeschäfts kein wesentliches Element für die Wirkung der Auflassung. Dabei unterscheidet sie sich auch von der österreichschen Rechtslehre, denn – obwohl hier eine deutliche Distinktion zwischen Titel und Modus gemacht wird – die Vereinbarung zur Übertragung an dinglichen Rechten nicht ein abstraktes sondern ein kausales Rechtsgeschäft ist. In der Tat betrachtet das ABGB (§ 425) den Titel allein als unzureichend für eine Eigentumsübertragung, welche erst durch eine traditio“ perfektioniert wird. Diese verwirklicht sich bei unbeweglichen Gütern durch die Eintragung in das Grundbuch.
1 Das Grundbuchsystem findet noch in folgenden Provinzen Anwendung:
Trento, Bolzano, Trieste, Gorizia, darüber hinaus in einzelnen Gemeinden, wie Cervignano und Pontebba (Provinz Udine), Cortina d’Ampezzo, Pieve di Livinalongo und Colle Santa Lucia (Provinz Belluno) und Valvestino (Provinz Brescia). 2 Gemäß § 433 Abs 1 BGB entsteht durch einen Kaufvertrag lediglich ein schuldrechtliches Verhältnis. Auch das italienische diritto tavolare“ folgt ähnlichen Überlegungen, mit dem Unterschied, dass dieses Grundbuchsystem in einem auf dem Konsensprinzip basierenden Registersystem integriert“ ist. Die im (italienischen) Grundbuch durchgeführte Eintragung basiert demnach auf dem positivistischen Prinzip (Eigentum wird bereits durch Vertragabschluss, d.h. Konsens übertragen). Kein anderer Titel ist daher für das italienische System relevant, kein Titel kann Eigentum oder andere dingliche Rechte übertragen als der Vertrag, und die Eintragung übernimmt nur eine mitwirkende Publizitätswirkung. Dies bedeutet jedoch keine Trennung von Titel und Modus, sondern einen einzigen Kausalvertrag, welcher durch die Einverleibung perfektioniert wird3. Art. 2 Regio Decreto 499/1929 bestimmt, in Abweichung zu den Bestimmungen des Codice Civile, dass Eigentum an Immobilien und an anderen dinglichen Rechten als Folge eines Rechtsgeschäfts inter vivos endgültig mit der Einverleibung in das Grundbuch erworben werden.
2. Sachverhalt.
Unser Musterfall handelt von der Immobiliarübertragung eines Wohnhauses mit umliegendem Grund: Herr Josef Hofer (verheiratet) beabsichtigt sein Wohnhaus bzw. den Grund an Anna und Paolo Müller zu verkaufen, welche Eigentümer zu gleichen Teilen werden wollen. Wir werden diesen Fall in seinen konkreten juridischen Aspekten analysieren, um einen klaren Vergleich mit den Gegebenheiten des österreichischen bzw. deutschen Rechtssystems zu ermöglichen. Das Vertragsobjekt Wohnhaus ist derzeit noch mit einem Wohnrecht für die Eltern des Verkäufers belastet, wobei der Vater bereits verstorben ist und die Mutter in einem Altersheim wohnt. Darüber hinaus ist die Immobilie durch eine Hypothek im Wert von € 100.000 belastet, als Absicherung für ein noch offenes Darlehen im Wert von € 80.000,-. Der Verkaufspreis wird mit € 300.000,- vereinbart, wobei die Erwerber dies durch ein mittels Hypothek (auf das Kaufobjekt) gesichertes Darlehen finanzieren wollen. Bevor wir die notwendigen Vertragsinhalte, und die entsprechende Besicherung beider Vertragsparteien darstellen, möchte ich die rein juridischen Aspekte dieses Sachverhaltes4 präsentieren.
3. Veräußerung einer mit Wohnrecht belasteten Immobilie
Die Definition des Codice Civile, Art. 1022, bezeichnet das Wohnrecht als das Recht ein Haus insoweit zu bewohnen, als es für die eigenen Bedürfnisse und jener der eigenen Familie erforderlich ist“. Dieses Recht darf weder abgetreten noch verpachtet werden5 (Art. 1024 c.c.). Das Abtretungsverbot leitet sich direkt vom höchstpersönlichen Charakter dieses Anspruches ab, welcher nur dem direkten Rechtsträger und seiner Familie (im Sinne der Definition im Art. 1023 c.c.6) gewährt ist. 3 Mit anderen Worten könnten wir sagen, dass ein Vertrag über Übertragung von Eigentum an unbeweglichen Sachen im Grundbuchsystem nichts anderes ist als ein Vertrag mit verschobener“ Rechtswirkung.
4 Die detaillierte Abarbeitung des Musterfalles,
insbesondere seiner steuerlichen Belange und Sicherungsaspekte, wird vom Kollegen Dr. Massimo Stefani präsentiert. Mein Referat wird sich vorwiegend mit der Einleitung und Darstellung der allgemein rechtlichen Aspekte des Sachverhalts befassen.
5 Über einen eventuellen Abtretungsvertrag wird Kollege Stefani referieren.
6 Diese Beschränkung war bereits im Code Napoléon (Art. 631) geregelt, und wurde auch im Art. 528 des Codex 1865 bestätigt.
Ursprünglich war das Nutzungsrecht ebenfalls beschränkt, und diese Bestimmung wurde erst 1942 aufgehoben. Im Unterschied zum Nutzungsrecht, welches dem Rechtsträger das Recht einberaumt, die Sache direkt oder indirekt zu benutzen, soweit seine wirtschaftliche Bestimmung nicht geändert wird, wird also das Wohnrecht allein dem Rechtsträger und seiner Familie im Rahmen der tatsächlichen Bedürfnisse gewährt. Mit anderen Worten: Das mit Wohnrecht belastete Haus/die Immobilie darf nur unmittelbar vom Rechtsträger und seiner Familie (i.S.d. Art. 1023 c.c. die Kinder, Adoptiv- bzw. Pflegekinder, und Mitbewohner im Dienstverhältnis) bewohnt werden, und die Immobilie darf nicht vermietet oder anderweitig genutzt werden. Der höchstpersönliche Charakter ist klar, denn der Bewohner könnte auch das Haus zusammen mit dem Hausbesitzer bewohnen, wenn die räumlichen Verhältnisse es gestatten. Dieses Wohnrecht – aufgrund der Analogie, siehe Art. 10267 – versteht sich als gelöscht bei Verjährung (bei 20jähriger Nichtausübung des Rechtes), Vereinigung von Wohnrecht und Eigentum im gleichen Rechtsträger, oder bei vollständigem Untergang der mit diesem Recht belasteten Sache. In unserem Fall gilt das Wohnrecht für die Eltern des Eigentümers bzw. Verkäufers, insbesondere für dessen bereits verstorbenen Vater und für die Mutter, die allerdings in einem Altersheim wohnt. Mit anderen Worten gilt das Wohnrecht für den Vater als gelöscht (von Todes wegen); bezüglich dem Recht der Mutter müsste man in Erfahrung bringen, wie lange sie schon ihr Recht nicht ausübt, um eine eventuelle Verjährung festzustellen. Allerdings, auch bei Feststellung einer diesbezüglichen Verjährung, reicht für die Löschung des Wohnrechts aus dem Immobilienregister eine einfache einseitige Erklärung nicht aus, sondern ist ein gerichtlicher Akt erforderlich. Da keine entsprechenden Informationen vorhanden sind, gehen wir davon aus, dass in unserem Sachverhalt auf jedem Fall das Einwirken der Rechtsträgerin notwendig ist. Konkret sollten beide Rechtsträger (Eigentümer und Wohnrechtsinhaber) gemeinsam im Rechtsgeschäft (Verkauf) auftreten, jeder in Bezug auf seine Rechte am Vertragsobjekt.
Die Rechtslehre hat diesbezüglich aber schon Zweifel über die Rechtmäßigkeit des Verfügungsgeschäfts über das Wohnrecht geäußert, aufgrund des Veräußerungsverbots i.S.d. oben genannten Art. 1024 c.c. Eine getrennte Übertragung der eigenen Rechte in Bezug auf Eigentum und Nutzung wird zwar von der Lehre und der Judikatur ohne Widerstand bejaht, die gemeinsame Übertragung von Eigentum und Wohnrecht ist dagegen noch Diskussionsthema. Eine Ablehnung basiert auf der Unübertragbarkeit des Wohnrechtes i.S.d. Codice Civile, eine Schutzmaßnahme zugunsten des Eigentümers, welcher immer wissen soll, wer der Rechtsträger des Wohnrechts ist8. Andererseits gibt es ebenfalls Meinungen, die eine Übertragung des Wohnrechts zusammen mit der Übertragung des Eigentums bejahen und kein Risiko für die Interessen des Eigentümers erkennen, wenn beide Rechte gemeinsam veräußert und abgetreten werden, und dadurch sich sozusagen wieder vereinigen“9. In unserem konkreten Fall könnte die Lösung eine Verzichtserklärung der Wohnrechtsträgerin sein, wonach der Verkäufer (diesbezüglich) lastenfreies Eigentum übertragen könnte.
In der 7 Sinngemäß: Die einen Fruchtgenuss (Art. 978) betreffenden Bestimmungen finden auch auf den Gebrauch und das Wohnungsrecht Anwendung.
8 Diese Meinung wird auch durch die Eigenschaften der dinglichen Rechte untermauert, siehe BIANCA, La vendita e la permuta, I, in: Trattato Vassalli, Torino, 1993, 126.
9 Siehe CACCAVALLE-RUOTOLO, Il diritto di abitazione nella circolazione dei beni, Commissione Studi Civilistici CNN, Studio n. 2344, genehmigt von Commissione Studi, 22 Juni 1999. Tat ist es allgemein akzeptiert, dass ein Rechtsträger jederzeit freiwillig auf sein Recht verzichten kann. Nach dieser allgemeinen Analyse der Merkmale und Probleme in Zusammenhang mit dem Wohnrecht in Italien, kommen wir nun zur konkreten Falllösung. Wie erwähnt, kann man hier auf eine freiwillige Verzichtserklärung der Trägerin des Wohnrechtes zurückgreifen. Diese könnte unentgeltlich als mittelbare Schenkung (donazione indiretta) oder entgeltlich erfolgen. Wird die erste Variante gewählt, ist das Rechtsgeschäft steuerpflichtig i.S.d. Schenkungssteuer, ansonsten sind die für ein entgeltliches Rechtsgeschäft dieser Art üblichen Abgaben und Steuern (Registerabgabe, Hypothekargebühren, etc). zu entrichten. Wenn eine gesonderte Übertragung des reinen Eigentums und des Wohnrechts (seitens der jeweiligen Rechtsträger) bevorzugt wird, muss man deutlich und unmissverständlich vermerken, dass die Abgeltung ebenfalls anteilsmäßig an die Verkäufer / Abtretenden zu zahlen ist. In Bezug auf das Grundbuchsrecht (diritto tavolare) sind hier einige Anmerkungen erforderlich. Sollte das Wohnrecht zugunsten des Vaters des Verkäufers nicht unmittelbar nach dem Todesfall aus dem Grundbuch gelöscht worden sein, so wird dies durch Vorlage einer Sterbeurkunde veranlasst. Ebenfalls soll das Wohnrecht zugunsten der Mutter gelöscht werden (estavolazione). Art. 8 Legge Tavolare beschreibt ausdrücklich jene Eintragungen, die im Grundbuch möglich sind: Einverleibung (intavolazione) bzw. Löschung eines Rechts (estavolazione oder cancellazione), Vormerkung (prenotazione) und Anmerkung (annotazione). Einverleiben kann man dingliche Rechte (wie z.B. Nutzung oder Wohnrecht) durch eine entsprechende Notiz auf dem Belastungsblatt“ des Gründstückes/Immobilien (der so genannten Foglio degli aggravi“ oder Foglio C“). Dementsprechend ist die Löschung die tatsächliche Streichung“ dieser Notiz. Wird ein Wohnrecht zusammen mit dem Eigentumsrecht abgetreten / veräußert, sollte man die Übertragung des Wohnrechtes zugunsten des Käufers des bloßen Eigentumsrechts auch in diesem Belastungsblatt eintragen. Allerdings würden sich diese 2 Eintragungen de facto gegenseitig annullieren, da eine zugunsten und die andere als Belastung desselben Rechtsträgers wirkte und daher beide Rechte vom Amts wegen gestrichen werden müssten. In der Praxis aber – um Missverständnisse zu vermeiden – wird aus diesem Grund lediglich das Wohnrecht gestrichen (gelöscht). 4. Schutz des Käufers und des Verkäufers im gegenständlichen Fall Anlässlich der Vertragsvorbereitung wird es Sorge des Notars sein, beide Parteien ausführlich über eventuelle Schwierigkeiten oder Probleme, und Vorkehrungen bezüglich geeigneter Absicherungen aufzuklären. In Bezug auf das erwähnte Wohnrecht10 zum Beispiel, wird der Notar den Rechtsträger kontaktieren und ihm einen Verzicht oder eine Abtretung (mit der Eigentumsübertragung gemeinsam durchzuführen11) empfehlen bzw. entsprechende Erklärungen einholen. In Bezug auf die Absicherungen anlässlich der Veräußerung (Kaufvertrag), stellt der Codice Civile 3 Arten von Gewährleistung zum Schutz des Käufers zur Verfügung: gegen Herausgabe (Art. 1483-1489 c.c.), gegen Mängel (art. 1490, d.h. wenn die Sache nicht
10 Siehe auch Par. 2.
11 Obwohl in unserem Fall sich ein Verzicht besser eignen würde. bestimmungsgemäß gebraucht werden kann) und Nichterfüllung der bedungenen Eigenschaften der Sache (art. 1497 c.c.)12. Im Allgemeinen wird in den Kaufverträgen eine Gewährleistungsklausel eingeführt, wonach der Verkäufer dem Käufer garantiert, dass das Verkaufsobjekt frei von Mängeln, belastenden Rechten (wie z.B. Vorkaufsrecht oder anderen dinglichen Rechten) oder anderen Hindernissen ist, die eine freie und bestimmungsgemäße Nutzung“ verhindern würden. Da allerdings die Bestimmungen über Gewährleistungen – auch ohne ihre ausdrückliche Erwähnung im Vertrag – ex lege wirksam sind, liegt die Aufgabe des Notars in der Aufklärung der Vertragsparteien, bzw. in der Bekanntgabe der gesetzlichen Bestimmungen (Informationspflicht). Wird der Käufer tatsächlich nicht ausdrücklich über Belastungen oder dingliche Rechte am Kaufsobjekt vom Verkäufer informiert, bzw. hat er keine Kenntnis darüber, gewährt ihm Art. 1482 das Recht, den Kaufpreis zurückzubehalten und vom Vertrag zurückzutreten bzw. seine Kündigung zu erklären. Sind aber diese Belastungen ausdrücklich im Vertrag erwähnt, dann haftet der Verkäufer nur im Falle einer Herausgabeklage von Dritten. Ebenfalls räumen alle Belastungen und dinglichen Rechte auf dem Gründstück, welche den freien Genuss und Nutzung des Objekts verhindern und nicht ausdrücklich im Vertrag erwähnt wurden, dem Käufer das Recht ein, aus dem Vertrag zurückzutreten oder eine Preisminderung zu verlangen (Art. 1489 c.c.).
Sollte also der Verkäufer das Wohnrecht verschwiegen oder der Notar die notwendige Überprüfung nicht durchgeführt haben (und eine dementsprechende Notiz im Vertrag aufgenommen haben), dann könnte man die Bestimmungen des Art. 1489 c.c. anwenden. Ähnliche Überlegungen und Anmerkungen gelten für die Hypothek im Wert von € 100.000 (als Absicherung eines noch nicht getilgten Darlehens von € 80.000), welche das Grundstück ebenfalls belasten. Wieder ist es Aufgabe des Notars, die Existenz einer solchen Belastung hervorzuheben bzw. den Käufer darüber zu informieren. In beiden Fällen erkennen sowohl die Lehre als auch die Judikatur eine vertragsmäßige Haftung des Notars, wenn er seine beruflichen Verpflichtungen (Einsicht in das Grundbuch bzw. Informationspflicht) nicht erfüllt13.
12 Art.1490 c.c.: Der Verkäufer garantiert dem Käufer, dass der Kaufgegenstand frei von Mängeln ist, die seinen bestimmungsgemäßen Gebrauch verhindern oder seinen Wert wesentlich vermindern“. Art 1492 c.c.: Treten die im Art. 1490 bezeichneten Mängel auf, hat der Käufer das Recht vom Vertrag zurückzutreten (außer bei bestimmten Mängeln, die einen Rücktritt ausschließen), bzw. einen Kaufpreiserlass zu verlangen; darüber hinaus hat er Anspruch auf eventuellen Schadenersatz (Art. 1492-1495).
Die Lehre und die Judikatur betrachten die Haftung des Verkäufers für die Veräußerung einer mangelhaften Sache als Sonderhaftung“ (siehe z.B. Luminoso und Bianca wie auch Spruch der Corte di Cassazione nr. 6234 vom 15. Mai 2004), d.h. sie unterscheiden sie von einer Haftung für Nichterfüllung der Vertragspflichten, sowohl in Bezug auf Inhalt als auch auf die Rechtsmittel und Verjährungsfristen (art. 1495 c.c.).Es handelt sich sozusagen um eine Haftung unbeschadet der Erfüllung“, welche nach der tatsächlichen Übertragung des Vertragsobjekt wirksam wird: unabhängig von einer schuldhaften Handlung des Verkäufers, dieser haftet für Mängel, die auch vor Vertragabschluss bestanden haben (Art. 1491). In Bezug auf Mängel, die zwischen Vertragsabschluss und Übertragung der Sache aufgetreten sind, wird eine Nichterfüllung“ vermutet, und zwar i.S.d. Art. 1477, Abs.1 c.c., wonach der Verkäufer verpflichtet ist, die Sache im gleichen Zustand wie beim Vertragsabschluß zu übertragen. Art. 1497 c.c., gewährt dem Käufer eines Objektes, das die bedungenen oder zum Gebrauch wesentlichen, notwendigen Eigenschaften nicht vorweist, das Recht vom Vertrag zurückzutreten bzw. den Vertrag zu kündigen (im Sinne der allgemeinen Bestimmungen bezüglich Rücktritt wegen Nichterfüllung“)
Eine wörtliche Interpretation der Norm unterstreicht die Bedeutung der Unterscheidung zwischen tatsächlichen Mängeln und nicht erfüllten, bedungenen Eigenschaften, denn im letzteren Fall hat der Käufer kein Recht auf eine Preisreduktion. Neben den gesetzlichen Bestimmungen kennen Lehre und Judikatur eine weitere Kategorie: der Verkauf aliud pro alio“, d.h. Übertragung /Verkauf einer komplett unterschiedlichen Sache als die ursprünglich vereinbarte, wobei der Verkäufer gegenüber dem Käufer gleich wie für eine allgemeine Nichterfüllung haftet. In unserem Fall brauchen die Käufer, um Zahlung des vereinbarten Kaufpreises (€ 300.000) leisten zu können, eine Fremdfinanzierung:
Diese erfolgt durch die Übernahme eines Darlehens, welches mittels Hypothek zu Lasten des zu erwerbenden Objekts abgesichert wird. Es wird vermutet, dass der Käufer ein lastenfreies Gut erwerben will. Aus diesem Grund werden folgende Maßnahmen erforderlich:
a) Tilgung des noch bestehenden Darlehen und der als dessen Absicherung eingetragenen Pfand/Hypothek
b) Unterzeichnung eines neuen Darlehens,
c) Anmerkung / Eintragung des (neuen) Hypothekarsrechts, als Absicherung für das neue Darlehen von € 300.000
d) zuletzt Zahlung des bedungenen Kaufpreises. Im Kaufvertrag müssen sowohl das Bestehen der Hypothekarbelastung als auch die (der Unterzeichung des Kaufvertrages vorangehende) Unterzeichnung der Löschungsgenehmigung vermerkt werden. Weiters muss im Kaufvertrag das Bestehen eines Mietsverhältnisses angegeben werden 14. Im Allgemeinen gilt das Prinzip, wonach bei Veräußerung einer vermieteten Immobilie auch das Mietverhältnis übertragen wird (der neue Eigentümer wird dadurch Vermieter). Dieser Vertrag kann geltend gemacht werden gegen den Käufer nur wenn er eindeutig vor dem Kaufgeschäft abgeschlossen worden ist15. Die Mitrechtsbestimmungen, Art. 3 lit. g Gesetz 431/1998, gewähren dem Mieter das Vorkaufsrecht über das Mietobjekt bei beabsichtigter Veräußerung der von ihm bewohnten Immobilien und bei Vorliegen einer auf diesem Verkauf basierenden Kündigung (durch Verweigerung einer Mietvertragsverlängerung16). Das Vorverkaufsrecht weist seinerseits insbesondere auf die Bestimmungen der Art. 38 und 39, Gesetz 392/1978 hin: Will der Vermieter die vermietete Wohnimmobilie entgeltlich veräußern, muss er dies dem Mieter durch Gerichtsvollzieher mitteilen. Der Mieter hat darauf hin binnen 60 Tagen ab Mitteilungserhalt sein Vorkaufsrecht geltend zu machen (die diesbezügliche Mitteilung bedarf ebenfalls einer gerichtlichen Zustellung).
13 Einige kurze Anmerkungen über die Entwicklung dieser Situation. Die ursprüngliche Meinung erkannte eine Verpflichtung des Notars anlässlich der Beurkundung einer Immobiliarübertragung, Einsicht in Grundbuch und Hypothekenregister zu nehmen, nur beim diesbezüglich ausdrücklichen Auftrag der Vertragsparteien. Später erkannte ein Urteil der Corte di Cassazione (Nr. 2444 /1959) darin eine außervertragliche Haftung des öffentlichen Notars (Nicht-Erfüllung der beruflichen Kontrollpflicht über die Lastenfreistellung eines Vertragsobjekts). Danach wurde diese mangelhafte bzw. fehlende Überprüfung der Lastenfreistellung durch den öffentlichen Notar als vertragsmäßige Haftung definiert, analog zur Berufshaftung bei Mandat oder Auftragserteilung (Spruch der Corte di Cassazione 2128/1973). Einige Jahre später wurde die Frage erörtert, ob diese berufliche Verpflichtung der grundbücherlichen Überprüfung nicht nur anlässlich einer Beurkundung (atto pubblico) sondern auch bei der Beglaubigung von Privaturkunden gegeben ist (Spruch n. 475/1994). Die Richter erkannten hier 2 Situationen: Die notarielle Beglaubigung der Unterschriften bei einem von Dritten (wie z.B. einem Anwalt) verfassten Vertrag, oder die Verfassung des Vertrages durch den Notar. Nur für letztere Situation haben die Richter die berufliche Haftung des Notars erkannt (eine Einstellung, die auch im Spruch der Corte di Cassazione 5868/2006 bestätigt wurde). Darüber hinaus bestätigen die Sprüche 264 und 14.450 aus dem Jahr 2006 (basierend auf 11842/1995) die berufliche Informations- und Beratungspflicht des Notars, wobei sie in Zusammenhang mit dem Schutzanspruch des Käufers bzw. der Parteien gegen Risiken und Gefahren eines Rechtsgeschäfts steht.
14 Das Mietrecht wird in Italien sowohl durch Bestimmungen des Codice Civile als auch durch gesonderte Gesetze geregelt, insbesondere durch die Gesetze Nr.431/1998 und 392/1978.
15 Es wird hier vermerkt, dass seit dem Inkrafttreten des Gesetzes 431/1998 der Mietvertrag (zum Wohnzweck) der Schriftform bedarf. Zur seiner Geltendmachung reicht daher die Vorlage des eingetragenen Vertrages.
16 Gemäß Art. 3 Gesetz 431/98 kann der Vermieter, spätestens 6 Monate vor der erstfälligen Kündigungsfrist durch einfache Mitteilung an den Mieter sein Recht der Verlängerungsverweigerung geltend machen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, darunter die beabsichtigte Veräußerung der vermieteten Immobilie, oder wenn der Vermieter die Immobilie zu eigenen Wohnzwecken braucht (und er keine andere Immobilien besitzt). Verkauft der Vermieter das Wohnobjekt ohne dem Mieter sein Vorkaufsrecht einberaumt zu haben, kann der Mieter binnen 6 Monaten ab Eintragung der Eigentumsübertragung die Immobilien vom Käufer oder jedem anderen Rechtsnachfolger abkaufen (Art. 39). Es scheint also in unserem Fall besonders empfehlenswert, dass der Notar die Parteien über diese Bestimmungen über den Verkauf von vermieteten Immobilien informiert, und – wenn notwendig – in der Urkunde die Bedingungen und Schritte einzufügen, die der Vermieter/Verkäufer zu erfüllen bzw. durchzuführen hat, um einen späteren Rechtsstreit mit dem Mieter zu vermeiden.
Unentbehrlich ist auf jedem Fall die Erwähnung des bestehenden Mietverhältnisses (samt Angabe seiner Eck- und Registrierungsdaten) im Kaufvertrag. Besteht keine unmittelbare Kündigungsfrist für das Mitverhältnis, dann soll eine gesonderte Vereinbarung mit dem Mieter getroffen werden. 5. Klientenberatung und Vorbereitung der Urkunde Kommen wir nun auf die Darstellung der praktischen Handlungen, die ein Notar oder seine Mitarbeiter durchführen vom Anbeginn der Kontakte bis zur Unterzeichnung der Urkunde und Erledigung und Erfüllung des Vertrages. Dabei werde ich jene Prozeduren präsentieren, die grundsätzlich in jeder Notariatskanzlei üblich sind, und werde eventuelle lokale oder kanzleibedingte (z.B. wegen Anzahl der Mitarbeiter oder beruflicher Struktur) Besonderheiten vernachlässigen. Normalerweise entsteht der erste Kontakt des Klienten mit einem Mitarbeiter, welcher einen Beratungstermin mit dem Notar vereinbart, oder ihm bereits eine Liste der vorzulegenden Dokumente bekannt gibt. Dies ist vor allem der Fall, wenn die Geschäftsabwicklung keine Besonderheiten oder komplexere Sachverhalte aufweist, so dass man schon mit der Vorbereitung einer Urkunde in Rohfassung beginnen kann. Man soll aber diese erste Phase, den ersten Kontakt des Klienten mit dem Notar oder seinen Kanzleimitarbeitern nicht unterschätzen, denn gerade hier entsteht der erste Eindruck, sozusagen präsentiert der Notar seine Visitenkarte: Aufmerksamkeit, Sensibilität, Entgegenkommen und Professionalität sind hier entscheidend. Aus diesem Grund verfügen die Mitarbeiter, die diesen ersten Kontakt zu verantworten haben, über ausreichende Erfahrung und Wissen, um die spezifischen Bedürfnisse zu bewerten und dafür die richtigen Schritte einzuleiten. In vielen, größeren Kanzleien sind die Geschäfte unter verschiedenen Abteilungen (Grund- und Immobilienverkehr, Gesellschaftsrecht, Erbrecht, etc.) verteilt mit jeweiligen Sachbearbeitern oder Fachreferenten, während in kleineren Kanzleien öfters der Notars schon in der Vorbereitungsphase selbst tätig werden muss. Sind die notwendigen Unterlagen eingeholt worden, entscheidet der Notar eine Grundlinie für den Vertrag, und gibt dem Personal ausreichende Hinweise für die Vorbereitung der Rohfassung. Bei besonderen oder komplexeren Sachverhalten wird der Notar selbst die Fassung ausarbeiten. Oft verfügt man über eine Reihe von vorgearbeiteten Mustern für die verschiedenen Vertragsarten, damit jede neue Fassung auch schnell erarbeitet werden kann. Darin sind die wichtigsten und unerlässlichen Punkte bereits integriert und das gewährt mehr Sicherheit bzw. geringere Fehlerquoten, und Überschaubarkeit. Diese Basismuster werden stets aktualisiert, gemäß der neueren Normen oder erforderlichen behördlichen Bestimmungen. In unserem speziellen Fall könnte folgendes geschehen: Anna und Paolo Müller suchen die Kanzlei auf und erklären ihre Absicht, die im Eigentum der anderen Partei stehende Immobilie kaufen zu wollen. Der Mitarbeiter wird die ersten notwendigen Informationen von den Parteien selbst einholen: ehelicher Güterstand, Ausmaß des anteiligen Grundes, ob die Käufer Anspruch auf besondere Steuerbegünstigungen haben (vor allem für Wohnraumanschaffung) usw.
Darüber hinaus werden die Klienten gebeten, einige Dokumente vorzulegen: Kopien von Personalausweisen und Angabe der Steuernummern, Bescheide bezüglich Baugenehmigungen (dabei wird die Notwendigkeit einer Energiebescheinigung überprüft), eventuell die stadtbauliche Bestimmung nach Widmungsplan. Für eine grundbücherliche Eintragung ist kein Auszug des Eheregisters notwendig, um den Personenstand des Verkäufers wie auch seinen ehelicher Güterstand zu erfahren, denn die Eintragungen im Grundbuch, ein öffentliches Register, besitzen bereits Beweiskraft. Der Auszug aus dem Eheregister ist für die Feststellung des ehelichen Güterstandes des erwerbenden Ehepaares allerdings notwendig. Nach erfolgter Einsicht in die Register, lädt der Notar die Parteien zu sich ein, um die Details des Vertrages mit ihnen zu besprechen. Insbesondere wird er über den überprüften Zustand der Belastungen auf dem Vertragsobjekts informieren, wovon die Erwerber möglicherweise schon in Kenntnis waren (oder auch nicht). 6. Errichtung und Beurkundung des Vertrages und weitere Schritte Sorge des Notars ist die juridische Gestaltung und Anpassung jedes Vertrages, wobei die Beziehung zum Klienten und die Erkundung seiner Absichten und Willen im Vordergrund stehen. Wird die Rohfassung des Vertrages von einem Mitarbeiter vorbereitet, dann revidiert und integriert sie der Notar im Sinne der fallspezifischen Bedürfnisse und Umstände.
Beim Vorlesen der Urkunden vor den (gleichzeitig anwesenden) Parteien können noch letzte Details oder Präzisierungen eingefügt werden. Ich möchte sie auf eine neuere italienische Norm, das Dekret Nr.233/2000 aufmerksam machen, und insbesondere auf Art. 35 Abs. 22, wonach die Parteien unbedingt im Vertrag die vereinbarten Zahlungsbedingungen und -modalitäten für ihr entgeltliches Immobiliengeschäft angeben müssen. Diese Bestimmung, die als Bekämpfungsmaßnahme gegen eventuelle Steuerhinterziehung gedacht war, hat ebenfalls die Bekämpfung von Immobiliengeschäften zur Geldwäsche“ unterstützt (auch im Sinne des Dekrets 143/1991, später Gesetz 197/1991, bzw. in der aktuellen Fassung des Dekrets 56/2004), weil Barzahlungen drastisch reduziert wurden. Viele der Prozeduren nach der Unterzeichnung der endgültigen Urkunde werden durch das Kanzleipersonal betreut: Archivierung der Urkunde, Vorbereitung des Ansuchens um Grundbucheintragung (bzw. Überschreibung des Eigentums im Immobilienregister), und Registrierung derselben. Selbstverständlich überwacht der Notar die Richtigkeit des Verfahrens, wenn auch er nicht immer unmittelbar involviert ist.
Die gesamten Unterlagen (Ansuchen, Anmerkungen, Eintragungen in den Register der Handelskammer, wie auch Registrierungsansuchen auf dem telematischen Weg MUI) müssen immer zusammen mit einem (oder mehr) beglaubigten und vom Notar unterzeichneten Abzug der Urkunden vorgelegt werden. Weitere, abschließende Verfahren sind dann – gemäß den erforderlichen Mitteilungen und Bestimmungen zur Bekämpfung der Geldwäscherei17 – vom Notar (oder seiner Mitarbeitern) durchzuführen. 17 Seit 1. Januar 2006 ist Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 310/1993 außer Kraft gesetzt, wonach die Notare zur Übermittlung eines Informationsformulars bezüglich Grund- und Immobilienverkehr bzw. Betriebsüberschreibungen an die Sicherheitsdirektion verpflichtet waren. Diese Bestimmung bleibt allerdings in Kraft für jene Gebiete, wo noch das Katastersystem (sistema tavolare) verwendet wird.